Volltext: Grundrechtspraxis in Liechtenstein

I.Verbot der formellen Rechtsverweigerung 1.Allgemeines Die liechtensteinische Verfassung von 1921 gewährleistet das Verbot der formellen Rechtsverweigerung nicht ausdrücklich. Der Staatsgerichtshof hat aber aus dem Gleichheitssatz des Art. 31 Abs. 1 Satz 1 LV unter an- derem auch das Verbot der formellen Rechtsverweigerung abgeleitet.2Er hat hier nicht mehr den Wortlaut des allgemeinen Gleichheitssatzes interpretiert, sondern die Verfassung losgelöst vom Wortlaut konkreti- siert.3Der Staatsgerichtshof orientierte sich dabei an der Rechtspre- chung des Bundesgerichts. Dieses hatte zunächst entschieden, es ver- stosse gegen die Rechtsgleichheit des Art. 4 aBV, wenn dem Beschwer- deführer der Zugang zum gesetzlichen Richter verwehrt werde (formelle Rechtsverweigerung). Später hatte das Bundesgericht dann festgehalten, es sei ebenfalls von einem Verstoss gegen Art. 4 aBV auszugehen, wenn sich der gesetzliche Richter auf einen Rechtsfall zwar einlasse, aber seine Entscheidung auf völlig unhaltbare Motive stütze oder das anzuwen- dende Recht krass missachte (materielle Rechtsverweigerung).4595 
Rechtsverweigerung, Rechtsverzögerung, überspitzter Formulismus 2Vgl. schon StGH 1976/3, Entscheidung vom 13. September 1976, ELG 1973–1978, S. 401 (406). Siehe auch die Rechtsprechungsnachweise bei Höfling, Grundrechts- ordnung, S. 243. Aus der jüngeren Judikatur siehe StGH 2003/51, Urteil vom 17. November 2003, S. 19, noch nicht publiziert; StGH 2004/10, Urteil vom 27. Sep- tember 2004, S. 9, noch nicht publiziert; StGH 2004/13, Urteil vom 30 November 2004, S. 17, noch nicht publiziert; StGH 2008/87, Erw. 2, im Internet abrufbar un- ter <www.gerichtsentscheidungen.li>; StGH 2009/99, Urteil vom 20. Dezember 2010, S. 15, Erw. 3.1, im Internet abrufbar unter <www.gerichtsentscheidungen.li>. 3Das gilt auch etwa für den Anspruch auf rechtliches Gehör. Vgl. dazu S. 565 f. in diesem Buch. Deshalb wird in der neueren Lehre auch die Meinung vertreten, es handle sich bei diesen «Ableitungen» im Grunde genommen um ungeschriebene Grundrechte. Vgl. Wille T., Verfassungsprozessrecht, S. 259 f. Hans Huber trifft eine entsprechende Feststellung für die Rechtsprechung des Bundesgerichts zu Art 4 aBV, vgl. Huber Hans, Probleme des ungeschriebenen Verfassungsrechts, in: Rechtsquellenprobleme im schweizerischen Recht. Festgabe für den schweizeri- schen Juristenverein, Bern 1955, S. 95 ff., S. 108 f.; siehe auch Müller J. P., Elemente, S. 23 ff. Zur Notwendigkeit der gerichtlichen Verfassungskonkretisierung (insbe- sondere der Grundrechtskonkretisierung) siehe Kälin Walter, Verfassungsgerichts- barkeit in der Demokratie. Funktionen der staatsrechtlichen Beschwerde, Bern 1987, S. 132 ff., S. 135 f., S. 138 ff. 4Vgl. Müller Jörg Paul, Grundrechte in der Schweiz. Im Rahmen der Bundesverfas- sung von 1999, der UNO-Pakte und der EMRK, 3. Aufl., Bern 1999, S. 469 f.; 1
	        

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