Volltext: Grundrechtspraxis in Liechtenstein

bot der Rechtsverzögerung steht.102Daher kennt er in engen Grenzen auch Ausnahmen von der formellen Natur des Anspruchs auf rechtli- ches Gehör.103Der Staatsgerichtshof hat dazu die Figur der «Heilung» der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör entwickelt, sodass in bestimmten Fällen trotz Vorliegens der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör das mangelhafte Verfahren nicht zu wiederholen ist. Der Staatsgerichtshof geht wie folgt vor: Eine Verletzung des An- spruchs auf rechtliches Gehör kann generell überhaupt nur dann «ge- heilt» werden, wenn der Betroffene Gelegenheit erhält, seinen Stand- punkt zumindest nachträglich im Rahmen eines Rechtsmittels darzule- gen und die Rechtsmittelinstanz über die gleiche Prüfungsbefugnis wie die Unterinstanz verfügt.104Aber selbst wenn dies zutrifft, ist das man- gelhafte Verfahren – aufgrund der formellen Natur dieses Anspruchs – grundsätzlich trotzdem zu wiederholen. Der Staatsgerichtshof nimmt in diesem Fall aber eine Interessenabwägung vor, sodass der Anspruch auf rechtliches Gehör einzelfallbezogen durch rechtlich geschützte Interes- sen Dritter zurückgedrängt werden kann.105Dies gilt insbesondere bei mehrseitigen Rechtsverhältnissen, welche nicht bloss durch den Interes- sengegensatz von Staat und Bürger, sondern auch vom Interessengegen- satz von Beschwerdeführer und Beschwerdegegner gekennzeichnet sind. In einem Mehrparteienverfahren ist nicht nur der Beschwerdeführer in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör zu schützen, sondern auch der Verfahrensgegner, welcher einen Anspruch auf ein faires Verfahren hat, 586Hugo 
Vogt 102Vgl. für die Schweiz auch Keller, Garantien, Rz. 58 f.; Seiler Hansjörg, Abschied von der formellen Natur des rechtlichen Gehörs, in: SJZ 100 (2004), S. 377 (379 f.); Schindler Benjamin, Die «formelle Natur» von Verfahrensgrundrechten. Verfah- rensfehlerfolgen im Verwaltungsrecht – ein Abschied von der überflüssigen Figur der «Heilung», in: ZBl 2005, S. 169 (190 ff.). 103Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat schon angedeutet, dass trotz der formellen Natur des Anspruchs auf rechtliches Gehörs eine Heilung die- ses Anspruchs in Betracht kommen kann. Vgl. etwa: Riepan gegen Österreich, Ur- teil vom 14. November 2000, Ziffern 40–41, zitiert nach <www.echr.coe.int/echr>. 104Vgl. StGH 2010/20, Urteil vom 7. Februar 2011, nicht veröffentlicht, S. 25 f., Erw. 3.1; StGH 2010/40, Urteil vom 20. September 2010, nicht veröffentlicht, S. 30, Erw. 2.3. 105Vgl. StGH 2007/88, Entscheidung vom 24. Juni 2009, Erw. 2.1, publiziert unter <www.gerichtsentscheidungen.li>; siehe in der Folge auch StGH 2010/20, Urteil vom 7. Februar 2011, nicht veröffentlicht, S. 25 f., Erw. 3.1; StGH 2010/59, Urteil vom 29. November 2010, nicht veröffentlicht, S. 14, Erw. 4.2. 33
	        

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