laubt, Beweisanträge im Vorhinein abzuweisen, wenn es diese für die Sachverhaltsermittlung als unerheblich ansieht.57Zum anderen erfordert das Recht auf ein faires Verfahren des Verfahrensgegners, dass die Ent- scheidung innert angemessener Frist zu ergehen hat, was vom Richter eine ökonomische und speditive Prozessleitung verlangt. Dies kann be- dingen, dass das Gericht auf weitere Beweisanbote nicht mehr eintritt, wenn der beweiserhebliche Sachverhalt ausreichend geklärt ist. Hier er- scheint eine antizipierende Beweiswürdigung geradezu zwingend. Der Staatsgerichtshof hat diese Grundrechtskollision gelöst, indem er eine antizipierende Beweiswürdigung unter bestimmten Voraussetzungen insbesondere zur Vermeidung überlanger Verfahren zwar nicht für völ- lig ausgeschlossen hält. Er verlangt aber, dass Beweisanbote nur auf- grund überzeugender sachlicher Gründe abgewiesen werden dürfen.58 Das bedeutet, eine antizipierende Beweiswürdigung ist grundsätzlich zulässig, das Gericht hat aber in jedem einzelnen Fall genau zu begrün- den, weshalb ein bestimmtes Beweisanbot für den Prozessausgang ohne Relevanz ist. Diese Rechtsprechung verdient Zustimmung. Der Staats- gerichtshof hat hier eine überzeugende Interessenabwägung zwischen den gegensätzlichen Grundrechtspositionen der Prozessparteien vorge- nommen und dadurch im Sinne der praktischen Konkordanz eine opti- male Wirksamkeit des Grundrechtsschutzes erzielt.59 Das Recht auf Anhörung und das Recht auf Stellungnahme bedeu- ten nicht, dass der Verfahrensbetroffene in jeder Instanz mündlich ge- hört werden muss. Der Staatsgerichtshof sieht den Anspruch auf recht- liches Gehör nämlich auch gewahrt, wenn zumindest eine schriftliche Stellungnahme möglich ist.60Es ist daher auch zulässig, dass die Beru- fungsinstanz ohne eine erneute Parteieneinvernahme die erstinstanz - 578Hugo
Vogt 57Vgl. Vogt, Rechtsprechung, S: 11 f. Siehe auch StGH 2010/44, Urteil vom 9. August 2010, nicht veröffentlicht, S. 12, Erw. 4.2.1. 58Dies hat der Staatsgerichtshof in StGH 2007/147, Erw. 3.2.4, publiziert unter <www.gerichtsentscheidungen.li>, klargestellt. Vgl. in der Folge StGH 2009/2, Ur- teil vom 15. September 2009, nicht veröffentlicht, S. 15 f., Erw. 2.3; StGH 2009/170, Urteil vom 14. Dezember 2009, nicht veröffentlicht, S. 41, Erw. 3.1. Dagegen unter- suchte er in der Vergangenheit abgewiesene Beweisanträge nur im Lichte des Will- kürverbots; vgl. dazu Wille T., Verfassungsprozessrecht, S. 347 f. mit Rechtspre- chungsnachweisen. Siehe auch Vogt, Rechtsprechung, S. 12. 59Zum Begriff der praktischen Konkordanz siehe Hesse, Grundzüge, Rz. 72. 60Vgl. StGH 2011/69, Urteil vom 1. Juli 2011, nicht veröffentlicht, S. 18, Erw. 2.2.1. 19