Volltext: Grundrechtspraxis in Liechtenstein

2.4Recht auf Anhörung und Recht auf Stellungnahme Der Anspruch auf rechtliches Gehör gewährleistet einem Verfahrensbe- troffenen darüber hinaus das Recht, in einem Gerichts- oder Verwal- tungsverfahren mit seinem Begehren angehört zu werden, und garantiert ihm eine dem Verfahrensgegenstand und der Schwere der drohenden Sanktion angemessene Gelegenheit zur Stellungnahme.53Die Verfah- rensbetroffenen haben das Recht, sich zum Sachverhalt in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu äussern.54Sie können insbesondere Beweise anbieten und Fragen stellen, und zwar zum einen zur Bekräftigung des eigenen Standpunktes und zum anderen, um den Standpunkt der Be- hörde, der Gegenpartei oder dritter Personen dadurch zu widerlegen.55 Beim Recht, Beweise anzubieten, besteht folgendes Problem: Bei den meisten Verfahren handelt es sich nicht nur um ein zweiseitiges Rechtsverhältnis, bei dem ein Beschwerdeführer dem Gericht oder der Verwaltungsbehörde gegenübersteht, sondern um ein mehrseitiges Rechtsverhältnis, bei dem neben der Behörde mehrere Prozessparteien involviert sind. Diese Verfahren sind nicht vom Interessengegensatz Staat und Bürger, sondern in erster Linie vom Interessengegensatz zwi- schen Beschwerdeführer und Beschwerdegegner gekennzeichnet. Bei mehrseitigen Rechtsverhältnissen besteht eine Grundrechtskollision zwischen dem Anspruch auf rechtliches Gehör einerseits und dem Recht auf ein faires Verfahren andererseits. Denn zum einen verlangt der An- spruch auf rechtliches Gehör, dass das Gericht auf rechtzeitig und form- richtig angebotene Beweismittel grundsätzlich materiell einzutreten hat. Das heisst, alle prozessordnungskonformen Beweisanbote, so etwa den Antrag auf Beizug eines Sachverständigen oder die Durchführung eines Augenscheins etc., müssen abgenommen werden.56In diesem Sinne gibt es auch keine antizipierende Beweiswürdigung, die es dem Gericht er- 577 
Anspruch auf rechtliches Gehör 53Dabei gilt gemäss der neueren Rechtsprechung, dass Verfahrensbetroffene die Gele- genheit haben müssen, sich zu allen Punkten des jeweiligen Verfahrens zu äussern. Vgl. StGH 2011/69, Urteil vom 1. Juli 2011, nicht veröffentlicht, S. 18, Erw. 2.2.1. Siehe zur älteren Rechtsprechung noch Wille T., Verfassungsprozessrecht, S. 339 f. und S. 349. Siehe dazu auch oben Rz. 10. 54Vgl. StGH 2009/170, Urteil vom 14. Dezember 2009, nicht veröffentlicht, S. 40, Erw. 3.1. 55Vgl. dazu Albertini, Anspruch, S. 261; Steinmann, Art. 29 BV, Rz. 25. 56So kennt die Zivilprozessordnung als Beweismittel: die Urkunden, die Zeugen, die Sachverständigen, den Augenschein und die Parteivernehmung. Vgl. §§ 292 ff. ZPO.17 18
	        

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