Volltext: Grundrechtspraxis in Liechtenstein

Verfahrensgegenstand und der Schwere der drohenden Sanktion ange- messene Gelegenheit erhält, seinen Standpunkt zu vertreten. Wenn ein- fachgesetzliche Verfahrensregeln fehlen, sind diese Lücken verfassungs- gemäss zu schliessen, und dem Anspruch auf rechtliches Gehör wider- sprechende einfachgesetzliche Regelungen sind dem Staatsgerichtshof zur Prüfung 
vorzulegen.25 III.Gehalt des Anspruchs auf rechtliches Gehör 1.Allgemeines Der Staatsgerichtshof konkretisiert für das rechtliche Gehör hauptsäch- lich zwei Funktionen. Zum einen dient es der Sachaufklärung, indem durch den Einbezug des Betroffenen die Richtigkeit der Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht besser gewährleistet ist. Zum an- deren ist das rechtliche Gehör Ausfluss der Menschenwürde und ver- langt, dass der Mensch nicht als Objekt, sondern als Subjekt staatlicher Verfahren ernst genommen wird.26 Zentraler Gehalt des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist, dass der Verfahrensbetroffene eine dem Verfahrensgegenstand und der Schwere der drohenden Sanktion angemessene Gelegenheit erhält, seinen Stand- punkt zu vertreten.27In der Vergangenheit verstand der Staatsgerichtshof dies dahingehend, dass es dem Verfahrensbetroffenen möglich sein musste, zu 
allen wesentlichen Punktendes jeweiligen Verfahrens Stellung 571 
Anspruch auf rechtliches Gehör 25Zum Anspruch auf rechtliches Gehör haben der Staatsgerichtshof und der Europäi- sche Gerichtshof für Menschenrechte eine sehr dynamische Rechtsprechung entwi- ckelt, wobei sie auch den sachlichen Gewährleistungsbereich dieses Anspruchs extensiv interpretiert haben. Die einzelnen Prozessgesetze müssen an dieser Recht- sprechung gemessen werden und können deshalb durch Zeitablauf verfassungswid- rig werden (invalidieren). 26Vgl. StGH 1996/6, Urteil vom 30. August 1996, LES 1997, S. 148 (152); StGH 2007/88, Entscheidung vom 24. Juni 2009, Erw. 2.1, publiziert unter <www.gerichts entscheidungen.li>; StGH 2010/40, Urteil vom 20. September 2010, nicht veröffent- licht, S. 29, Erw. 2.1. Vgl. auch Wille T., Verfassungsprozessrecht, S. 335 f. Für die Schweiz siehe Kiener / Kälin, Grundrechte, S. 418 f. 27Vgl. StGH 2011/69, Urteil vom 1. Juli 2011, nicht veröffentlicht, S. 18 Erw. 2.2.1.910
	        

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