Volltext: Grundrechtspraxis in Liechtenstein

Mit dieser Grundrechtsfunktion ist allerdings in aller Regel ledig- lich eine mittelbare Wirkkraft der Grundrechte im Privatrechtsverkehr gemeint, nämlich die Pflicht des Staates, grundrechtliche Schutzgüter vor Übergriffen privater «Störer» zu schützen.76Die Schutzgutfunktion der Grundrechte verwirklicht sich in einem komplexen Konkretisie- rungsprozess, der primär dem Gesetzgeber obliegt. Dieser ist zu einer grundrechtsadäquaten Ordnung der Privatrechtsbeziehungen aufgeru- fen. Die Judikative ist erst dann auf den Plan gerufen, wenn der Gesetz- geber seiner grundrechtlichen Schutzpflicht nicht oder nur unzu - reichend nachkommt.77Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Legislative bei der Erfüllung ihrer grundrechtlich fundierten Schutz- pflichten ein weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspiel- raum zukommt.78Für die Schutzgebotsfunktion der Grundrechte exis- tiert insoweit – spiegelbildlich zur Geltung des Übermassverbots im Blick auf die abwehrrechtliche Grundrechtsfunktion – nämlich nur ein sog. Untermassverbot.79In der Regel wird das Verfassungsgericht ledig- lich das «Ob», nicht aber das «Wie» einer Schutzverpflichtung als grundrechtlich geboten qualifizieren können.80 Eine unmittelbare bzw. direkte Drittwirkung entfalten die Grund- rechte im Verhältnis von Privaten zueinander nur dann, wenn eine sol- che Wirkkraft eines speziellen Grundrechts explizit von der Verfassung vorgegeben wird.81In der schweizerischen Grundrechtslehre werden indes auch weiter ausgreifende Konzeptionen vertreten. So wird eine unmittelbare bzw. direkte Drittwirkung für das Folterverbot (Art. 10 53 
Adressaten der Grundrechte 76Zu dem insoweit entscheidenden Dreiecksverhältnis, in dem der Staat in Beziehung zu einer Bürger-Bürger-Relation steht, siehe nur Isensee, Grundrecht als Abwehr- recht, Rz. 88 ff.; Müller G., Schutzwirkung, Rz. 34 ff.; ferner auch Höfling, Grund- rechtsordnung, S. 78 f.; vgl. auch StGH 2007/118, LES 2009, S. 1 (4), Erw. 3. 77Siehe dazu etwa Stern, Staatsrecht Band III/1, S. 1575 ff.; Saladin, Grundrechte, S. 318 ff.; Höfling, Grundrechtsordnung, S. 78 f. 78So BVerfGE 77, 170 (216); 85, 191 (212). 79Die Begriffsprägung bei Canaris Claus-Wilhelm, Grundrechte und Privatrecht, in: Archiv für die civilistische Praxis 184 (1984), S. 201 (228); siehe ferner Isensee, Grundrecht als Abwehrrecht, Rz. 165; BVerfGE 88, 203 (254); vom Staatsgerichts- hof aufgegriffen in StGH 2007/118, LES 2009, S. 1 (4), Erw. 3. 80Siehe etwa Isensee, Grundrecht als Abwehrrecht, Rn. 151 f.; Horst Dreier, Vorbem. vor Art. 1 Rz. 103, in: Ders., bearbeitet von Hartmut Bauer, Grundgesetz: Kom- mentar, Band I, 2. Aufl., Tübingen 2004. 81Übereinstimmend Müller G., Schutzwirkung, Rz. 34.20 21
	        

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