Volltext: Grundrechtspraxis in Liechtenstein

nen gesetzlich umschriebenen (Straf-)Tatbestand erfüllt zu haben.230Die Unschuldsvermutung gilt daher bis zum «gesetzlichen Beweis der Schuld», wobei der Schuldnachweis jeweils dem entsprechenden inner- staatlichen materiellen Recht als auch dem Prozessrecht des Konventi- onsstaates entsprechen muss.231Die Konventionsorgane üben insoweit eine Missbrauchskontrolle aus.232Die Unschuldsvermutung gilt für alle Verfahren, die im Sinne des Art. 6 EMRK als strafrechtlich zu werten sind.233Sie erstreckt sich jedenfalls bis zum Ende des Verfahrens und in bestimmten Fällen darüber hinaus, wenn trotz eines Freispruches be- stimmte Schuldannahmen zurückbleiben.234Nach der Rechtsprechung des EGMR ist Art. 6 Abs. 2 EMRK auch verletzt, «wenn ein Gericht zur Begründung des Widerrufs des bedingten Ausspruchs einer Strafe aus- führt, dass es Gewissheit darüber erlangt habe, dass der Verurteilte eine neue Straftat während seiner Bewährungszeit begangen habe, noch be- vor er rechtskräftig verurteilt wurde. Hingegen ist es zulässig, wenn sich das Gericht in seiner Begründung auf ein Geständnis des Angeklagten stützt oder sich auf die Wiedergabe einer Verdachtslage aufgrund der Er- gebnisse einer strafrechtlichen Voruntersuchung beschränkt.»235 3.2.1Beweiswürdigungs-236und Beweislastverteilungsregel Aus der in Art. 6 Abs. 2 EMRK normierten Unschuldsvermutung folgt einerseits eine Beweislastregel, wonach es Sache des Staates ist, dem An- geklagten seine Schuld nachzuweisen, und andererseits eine Beweiswür- digungsregel, gemäss derer der erkennende Richter beim Verbleib von 477 
Recht auf wirksame Verteidigung 230Müller / Schefer, Grundrechte, S. 981; vgl. auch StGH 1998/21, Entscheidung vom 4. September 1998, nicht veröffentlicht, Erw. 3, wonach ein Untersuchungshäftling gemäss Art. 6 Abs. 2 EMRK bis zu seiner rechtskräftigen Verurteilung als unschul- dig zu gelten hat. 231Grabenwarter, EMRK, S. 391 Rz. 121. 232Frowein / Peukert, EMRK, S. 246 Rz. 263. 233Siehe Frowein / Peukert, EMRK, S. 246 Rz. 263, und Meyer-Ladewig, EMRK, S. 175 Rz. 211. 234Grabenwarter, EMRK, S. 391 Rz. 121. 235StGH 2010/113, Urteil vom 28. März 2011, nicht veröffentlicht, S. 27 Erw. 5.1. 236Die Überprüfung der Beweiswürdigung durch die ordentlichen Gerichte selbst kann wiederum nach der Rechtsprechung des Staatsgerichtshofes auch im Strafver- fahren in der Regel nicht über eine Willkürprüfung hinausgehen. Insoweit bietet hier grundsätzlich auch die Unschuldsvermutung gemäss Art. 6 Abs. 2 EMRK kei- nen weitergehenden Schutz. Siehe StGH 1997/23, Urteil vom 29. Januar 1998, LES 1998, 283 (286 Erw. 4.1).44
	        

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