Volltext: Grundrechtspraxis in Liechtenstein

im Zusammenhang mit der Ablehnung von Beweisanboten mit derjeni- gen des EGMR zu Art. 6 Abs. 3 Bst. d EMRK vergleichbar ist, wonach für die Verweigerung des Zeugenbefragungsrechts sachlich gerechtfer- tigte Gründe gegeben sein müssen.211Je nachdem, wie sich die Recht- sprechung des Staatsgerichtshofes und diejenige des EGMR weiterent- wickelt, kann es durchaus sein, dass sich die Schutzbereiche nicht ganz decken bzw. der Anspruch auf rechtliches Gehör nach der Rechtspre- chung des Staatsgerichtshofes einen weitergehenden Schutz bietet. Es stellt sich nämlich berechtigterweise die Frage, ob in einem Strafverfah- ren, das je nach Ausgang schwerwiegende Eingriffe in die persönliche Freiheit nach sich ziehen kann, eine antizipierte Beweiswürdigung über- haupt, und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen, zulässig ist.212 2.5Kostenlose Beiziehung eines Dolmetschers Das Recht auf Verteidigung gemäss Art. 33 Abs. 3 LV ist nach Auffas- sung des Staatsgerichtshofes nur dann gewahrt, «wenn ein nicht der deutschen Sprache ausreichend mächtiger Beschuldigter die Möglichkeit hat, sich im Strafverfahren eines Dolmetschers bedienen zu können bzw. die für seine Verteidigung relevanten Schriftstücke übersetzt zu erhal- ten».213Der Staatsgerichtshof misst dabei «die Reichweite dieses Rechts»214an den Vorgaben der EMRK. Nach Art. 6 Abs. 3 Bst. e EMRK215muss ein Beschuldigter bzw. Angeklagter unentgeltliche Un- terstützung durch einen Dolmetscher erhalten, wenn er die Verhand- lungssprache des Gerichtes nicht versteht oder spricht. Dieses Recht gilt im Gegensatz zum Recht auf einen Pflichtverteidiger216absolut217und in allen Strafverfahren, auch im Ermittlungsverfahren und im Ausliefe- rungsverfahren. Es umfasst nicht nur die mündliche Verhandlung, son- 474Tobias 
Michael Wille 211Siehe dazu vorne Rz. 36 ff. und Gollwitzer, Menschenrechte, Rz. 217 f. 212Zur Zulässigkeit einer antizipierten Beweiswürdigung aus der Sicht der Unschulds- vermutung und der sich aus ihr ergebenden Beweiswürdigungsregel siehe auch hin- ten Rz. 44. 213StGH 2010/116, Urteil vom 28. März 2011, nicht veröffentlicht, S. 12 Erw. 2.2; siehe auch StGH 2010/161 und StGH 2011/34, Urteil vom 30. Juni 2011, nicht veröffent- licht, S. 20 Erw. 2.3. 214StGH 2010/116, Urteil vom 28. März 2011, nicht veröffentlicht, S. 12 Erw. 2.2. 215Vgl. auch Art. 14 Abs. 3 Bst. f UNO-Pakt II. 216Vgl. aber für Liechtenstein § 26 Abs. 3 StPO. 217Grabenwarter, EMRK, S. 389 Rz. 118. 40
	        

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