Volltext: Grundrechtspraxis in Liechtenstein

charakterisiert er das Strafrechtshilfeverfahren in ständiger Rechtspre- chung nicht mehr als eigentlichen Strafprozess bzw. als echtes Strafver- fahren, in dem Art. 33 Abs. 3 LV und Art. 6 EMRK Anwendung fin- den.35Der Staatsgerichtshof stützt sich dabei auf die Rechtsprechung der Strassburger Organe.36Bemerkenswert daran ist, dass sich diese Recht- sprechung des EGMR auf einen Auslieferungsfall bezieht. Bei der Schaf- fung der EMRK im Jahre 1950 stellte denn auch die Auslieferung die einzige Form der Rechtshilfe dar, sodass sie in der Konvention erwähnt wurde.37In der Zwischenzeit hat sich die Strafrechtshilfe weiterentwi- ckelt. Es haben sich neue Formen der Zusammenarbeit herausgebildet, die auch zur klassischen Rechtshilfe zählen, wie etwa die Rechtshilfe bei der Beweiserhebung, die Übertragung der Strafverfolgung, die Anerken- nung von Strafurteilen und die Einziehung von Vermögensgegenständen sowie von Erträgen aus Straftaten.38Nach André Klip39ist für die meis- ten Formen der Zusammenarbeit in Strafsachen Art. 6 EMRK die wich- tigste Bestimmung, weshalb der allgemeine Begriff des fairen Verfahrens auch auf die Rechtshilfe anzuwenden ist. Art. 6 EMRK verlangt nämlich, dass Strafverfahren als Ganzes zu betrachten sind, so dass die Rechtshilfe grundsätzlich davon nicht ausgeklammert bleiben darf. Da die Beurtei- lung eines Verfahrens als fair eine Gesamtbetrachtung des ganzen Ver- fahrens voraussetzt, ist es, wie André Klip zu bedenken gibt, schwierig, den Rechtshilfe leistenden Staat nur für einen Bruchteil des gesamten Verfahrens zur Verantwortung zu ziehen, da er dieses weder beherrscht noch überblickt. In Fällen, in denen es nicht um die Beweiserhebung geht, werden daher eher Art. 5 und Art. 8 EMRK40von Bedeutung sein. 443 
Recht auf wirksame Verteidigung 35StGH 2000/60, Entscheidung vom 19. Februar 2001, LES 2004, 13 (17 Erw. 4.1); StGH 2006/61, Urteil vom 4. Dezember 2006, nicht veröffentlicht, S. 16 f. Erw. 2.1 ff.; StGH 2008/37+88, Urteil vom 29. September 2008, <www.stgh.li>, S. 25 f. Erw. 4.1; StGH 2008/122, Urteil vom 10. Februar 2009, <www.stgh.li>, S. 25 Erw. 3.1. 36Vgl. StGH 2006/61, Urteil vom 4. Dezember 2006, nicht veröffentlicht, S. 16 Erw. 2.1 mit Verweis auf Mark E. Villiger, Handbuch der Europäischen Menschenrechts- konvention (EMRK), 2. Aufl., Zürich 1999, S. 255 Rz. 401. 37Siehe Klip, Zusammenarbeit, S. 124, der auf Art. 5 Abs. 1 Bst. f EMRK Bezug nimmt. 38Vgl. Klip, Zusammenarbeit, S. 124. 39Klip, Zusammenarbeit, S. 124. 40In der Praxis des Staatsgerichtshofes ist bei der Rechtshilfe in Strafsachen denn auch Art. 32 LV von zentraler Bedeutung, der ähnlich wie Art. 8 EMRK die Privat- und Geheimsphäre schützt. Ausführlich zu diesem Grundrecht Marzell Beck / Andreas Kley, S. 131 ff. dieses Buches.
	        

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