Volltext: Grundrechtspraxis in Liechtenstein

stellt werden kann.61Der Staatsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung, soweit ersichtlich, § 67 StGB62und Art. 64 Abs. 4 RHG63als Verfah- rensnormen qualifiziert und Art. XI des Strafrechtsanpassungsgesetzes vom 20. Mai 1987 (StRAG; LR 311.1)64nicht als eine materielle Straf- norm betrachtet sowie die Verfallsbestimmung des § 20b Abs. 2 StGB65 nicht für eine Strafe bzw. Strafbestimmung gehalten. Die Frage, ob § 42 StGB und diversionelle Massnahmen gemäss den §§ 22a ff. StPO66sowie § 41 StGB67unter den sachlichen Schutzbereich des strafrechtlichen Le- galitätsprinzips fallen, hat er offengelassen. Unlängst hat der Staatsge- richtshof unter Bezugnahme auf StGH 2003/44 festgehalten, dass trotz sinngemässer Anwendung der Strafprozessordnung das Grundrecht «nulla poena sine lege» auch im Abschöpfungsverfahren nicht anwend- bar ist.68 Art. 7 EMRK ist auf Strafverfahren, einschliesslich die entspre- chenden Rechtsmittelverfahren sowie die Festsetzung der Strafe69und auf Tatbestände im Sinne des Art. 6 EMRK anwendbar. Er erstreckt sich daher neben dem Strafrecht auch auf das Ordnungswidrigkeitenrecht, das Verwaltungsstrafrecht sowie Teile des Disziplinarrechts.70Der EGMR stellt nicht so sehr auf Einzelkriterien ab, wenn er den Anwen- dungsbereich des Art. 7 EMRK bestimmt. Er nimmt dabei im Unter- schied zu Art. 6 EMRK vielmehr eine gesamthafte Betrachtung vor, so- dass für die strafbare Handlung nicht nur der Straftatbestand selbst, son- 418Tobias 
Michael Wille 61Vgl. StGH 2010/158, Urteil vom 29. März 2011, nicht veröffentlicht, S. 29 f. Erw. 4.2 f. 62StGH 1998/48, Urteil vom 22. Februar 1999, LES 2001, S. 119 (121 Erw. 2.3). 63StGH 2003/69, Urteil vom 4. Mai 2004, <www.stgh.li>, S. 15 Erw. 4. 64StGH 2005/3, Urteil vom 20. Juni 2005, nicht veröffentlicht, S. 14 f. Erw. 2.1. 65StGH 2003/44, Urteil vom 17. November 2003, <www.stgh.li>, S. 27 Erw. 3.5. 66StGH 2007/150, Urteil vom 10. Dezember 2008, <www.stgh.li>, S. 9 f. Erw. 3.2 f. Nach Höpfel, § 1 StGB, Rz. 13, fallen diversionelle Massnahme wohl nicht in den Schutzbereich des § 1 StGB, da sie zum einen formell-organisatorisch zum Prozess- recht gehören und ihnen zum anderen das Merkmal des Zwangs fehlt. 67StGH 2008/126, Urteil vom 9. Februar 2009, <www.stgh.li>, S. 22 f. Erw. 3.1. 68StGH 2010/122+134, Urteil vom 6. Februar 2010, nicht veröffentlicht, S. 136 f. Erw. 2.1.1. 69Meyer-Ladewig, EMRK, S. 189 Rz. 15. 70Vgl. Grabenwarter, EMRK, S. 396 Rz. 130. Einlässlich zu den Prüfkriterien des EGMR hinsichtlich der Abgrenzungen zwischen Disziplinarrecht und Strafrecht sowie zwischen Ordnungswidrigkeiten und Straftaten Kadelbach, Strafe, S. 726 f. Rz. 12 f. 16
	        

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