Volltext: Grundrechtspraxis in Liechtenstein

Eine solche Rechtsprechung, die einen flexiblen Einsatz von Rich- tern zulässt, ist nicht ausgewogen. Wenn eine Partei nicht ohne Not- wendigkeit ein Gericht in seiner ordentlichen Besetzung in den Aus- stand versetzen kann, so muss auch für das Gericht gelten, dass es nicht beliebig über seine Zusammensetzung verfügen kann. Ein Richter kann sich auch nicht unter Berufung auf den Ausstand unbequemer Prozesse entschlagen. Diese Praxis ist auch aus Transparenzgründen kritisch zu hinter- fragen. So ist wohl auch die Rechtsprechung des Staatsgerichtshofes im Zusammenhang mit ad-hoc-Bestellungen von Ersatzrichtern zu verste- hen, wonach eine Ersatzwahl weder notwendig noch möglich ist, so- lange die ordentlichen Mitglieder einer Kollegialbehörde durch die be- reits gewählten Ersatzmitglieder vertreten werden können. Ein gewähl- tes Mitglied oder Ersatzmitglied kann nicht ohne Grund durch eine Ersatzbestellung von den Verhandlungen und Entscheidungen ausge- schlossen werden.316 Der Staatsgerichtshof scheint auch neuerdings, wie er dies in StGH 2009/65317andeutet, seine bisherige Rechtsprechung zur Befangenheit eines Richters abzustimmen, wenn er einerseits erklärt, der Hinweis auf die Kleinheit des Landes verdiene zwar Beachtung, dürfe aber nicht dazu führen, dass das Ansehen der Justiz, welches ein ausserordentlich hohes Schutzgut darstelle, über Gebühr relativiert werde, und andererseits her- vorhebt, dass das wohl allgemein anerkannte Prinzip, dass an sich schon ein begründeter «Anschein der Befangenheit» genüge, nicht völlig seines Gehaltes entleert und damit zur Leerformel werden dürfe.318Diese Aus- 397 
Recht auf den ordentlichen Richter 316StGH 1998/25, Urteil vom 24. November 1998, LES 2001, S. 5 (7 f. Erw. 3.4). Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung scheint die Bestellung eines ad-hoc-Rich- ters beim Obersten Gerichtshof äusserst fraglich. Es dürften wohl genügend ge- wählte Ersatzrichter beim Obersten Gerichtshof vorhanden sein, um die ordent - lichen Mitglieder zu ersetzen. 317StGH 2009/65, Urteil vom 18. Januar 2010, S. 13 ff. Erw. 4; siehe auch StGH 2009/67, Urteil vom 18. Januar 2010, nicht veröffentlicht, S. 13 f. Erw. 2.1.4, und StGH 2009/68, Urteil vom 18. Januar 2010, nicht veröffentlicht, S. 14 f. Erw. 2.2.5. 318In diesem Sinne hat auch der Oberste Gerichtshof unlängst die Auffassung vertre- ten, dass bei der Prüfung der Unbefangenheit eines Richters im Interesse des Anse- hens der Justiz ein strenger Massstab anzulegen sei. Es genüge, dass eine Befangen- heit mit Grund befürchtet werden müsse oder dass bei objektiver Betrachtungs- weise auch nur der Anschein einer Voreingenommenheit entstehen könnte. Siehe Beschluss des Präsidenten des Obersten Gerichtshofes vom 21. März 2011 zu77 
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