Volltext: Grundrechtspraxis in Liechtenstein

Bundesgericht an den Nachweis einer fehlenden Unabhängigkeit bzw. Unvoreingenommenheit keine allzu strengen Massstäbe.307Er schwächt diese Aussagen allerdings wieder ab, wenn er auf den Umstand hinweist, dass gerade in einem kleinen Gemeinwesen wie Liechtenstein die Gefahr bestehe, dass allzu strenge Befangenheitsmassstäbe die Gerichtsbarkeit übermässig behindern könnten.308In StGH 1961/2309vertrat er noch ei- nen anderen Standpunkt, wenn er ausführt, dass bei den kleinen Ver- hältnissen des Landes Liechtenstein, wo fast jeder jeden kennt und mehr oder weniger persönliche Beziehungen zwischen den Behördenmitglie- dern und den Parteien bestehen, den Ausschliessungs- und Ablehnungs- gründen erhöhte Bedeutung zukomme. Sie seien im Interesse des Ver- trauens auf eine sachliche Behandlung sehr strikt anzuwenden. Ein Mehr sei in jeder Beziehung besser als eine large Anwendung. Obwohl der Staatsgerichtshof die Unbefangenheit des Richters «differenziert» untersucht, d. h. über eine blosse Willkürprüfung hinaus- geht, kann dieses Vorgehen, wenn der Staatsgerichtshof keinen allzu strengen Massstab anwendet, zur Folge haben, dass der Anspruch auf den unbefangenen Richter als Teilgehalt des Rechts auf den ordentlichen Richter ausgehöhlt wird bzw. leerläuft. Auf diese Weise wird nämlich die differenzierte Prüfung auf das Ausmass einer Willkürprüfung ver- kürzt.310 Für den Staatsgerichtshof steht der Anspruch auf den unbefange- nen Richter in einem gewissen Spannungsverhältnis zum «primär ge- setzlichen Richter». So erklärt er: «Weder soll sich ein Richter unter Be- rufung auf den Ausstand unbequemer Prozesse entschlagen können, noch soll ein Gericht in seiner ordentlichen Besetzung ohne Notwen- 395 
Recht auf den ordentlichen Richter 307BGE 113 Ia 407 S. 409 f.; siehe auch Wille T., Verfassungsprozessrecht, S. 282 f. 308StGH 2003/24, Urteil vom 15. September 2003, LES 2006, S. 69 (83 Erw. 4.1) unter Bezugnahme auf Kley, Grundriss, S. 265, und StGH 1999/57 Erw. 5.2; siehe auch StGH 2003/92 und StGH 2003/96, Urteil vom 28. September 2004, nicht veröffent- licht, S. 10 f. Erw. 2.1; StGH 2005/85, Urteil vom 3. Juli 2007, <www.stgh.li>, S. 38 f. Erw. 2.1; StGH 2007/108, Urteil vom 15. April 2008, <www.stgh.li>, S. 31 ff. Erw. 2.2; StGH 2009/69, Urteil vom 14. Dezember 2009, nicht veröffentlicht, S. 12 Erw. 2.2; StGH 2011/50, Urteil vom 26. September 2011, nicht veröffentlicht, S. 9 Erw. 3.5; StGH 2011/113, Urteil vom 26. September 2011, nicht veröffentlicht, S. 6 f. Erw. 2.3. 309StGH 1962/1, Gutachten vom 14. Dezember 1961, ELG 1962–1966, S. 179 (181). 310Siehe StGH 2009/65, Urteil vom 18. Januar 2010, nicht veröffentlicht, S. 13 ff. Erw. 4, und hinten Rz. 79 sowie vorne Rz. 47 f.75 76
	        

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