Volltext: Grundrechtspraxis in Liechtenstein

3.4Befangenheit 3.4.1Begriff Befangenheit234bedeutet Voreingenommenheit und Parteinnahme des Richters im Hinblick auf eine Partei.235Der Staatsgerichtshof äussert sich in Anlehnung an die Rechtsprechung des schweizerischen Bundes- gerichts zu einer möglichen Befangenheit wie folgt: «Unabhängigkeit und Unbefangenheit des Richters gewährleisten, dass keine Umstände, welche ausserhalb des Prozesses liegen, in sachwidriger Weise oder zu Gunsten bzw. zu Ungunsten einer Partei auf das Urteil einwirken; es soll verhindert werden, dass jemand als Richter tätig wird, der unter solchen Einflüssen steht und deshalb kein ‹rechter Mittler› mehr sein kann. Da- bei genügt es, dass Umstände vorliegen, die bei objektiver Betrachtungs- weise geeignet sind, den Anschein von Befangenheit zu begründen. Sol- che Umstände können in einem bestimmten Verhalten des betreffenden Richters oder organisatorischer Art begründet sein.»236Das schweizeri- sche Bundesgericht fügt in konstanter Praxis noch an: «Bei der Befan- genheit handelt es sich allerdings um einen innern Zustand, der nur schwer bewiesen werden kann. Es braucht daher für die Ablehnung ei- nes Richters nicht nachgewiesen werden, dass dieser tatsächlich befan- gen ist. […] Bei der Beurteilung des Anscheins der Befangenheit und der Gewichtung solcher Umstände kann allerdings nicht auf das subjektive 380Tobias 
Michael Wille 234Der Staatsgerichtshof verwendet gelegentlich auch den Begriff «mangelnde Neutra- lität». Siehe StGH 2009/91, Urteil vom 14. Dezember 2009, nicht veröffentlicht, S. 16 f. Erw. 5; StGH 2009/97, Urteil vom 14. Dezember 2009, nicht veröffentlicht, S. 15 Erw. 5, und StGH 2010/150, Urteil vom 7. Februar 2011, nicht veröffentlicht, S. 16 Erw. 2.1; siehe auch Schindler, Befangenheit, S. 6 ff. 235StGH 2003/24, Urteil vom 15. September 2003, LES 2006, S. 69 (83 Erw. 4.1), und StGH 2005/85, Urteil vom 3. Juli 2007, <www.stgh.li>, S. 38 f. Erw. 2.1, beide je- weils unter Bezugnahme auf Villiger, Handbuch EMRK, S. 264 Rz. 418 mit Recht- sprechungsnachweisen. Vgl. auch StGH 2007/63, Urteil vom 4. Dezember 2007, nicht veröffentlicht, S. 7 Erw. 3.1. Der EGMR unterscheidet zwischen einer subjek- tiven (konkreten) und einer objektiven (abstrakten) Unparteilichkeit, wobei er aber selbst festhält, dass es keine exakte Unterscheidung zwischen den beiden Begriffen gebe. Siehe Böhmdorfer, Rechtsprechung, S. 62 f., und Vollkommer, Richter, S. 44, der darauf hinweist, dass der Kategorie der objektiven Befangenheit grössere Be- deutung zukomme. 236StGH 2001/38, Entscheidung vom 23. April 2002, nicht veröffentlicht, S. 10 f. Erw. 3.2 unter Hinweis auf BGE 114 Ia 50 S. 53 ff.; 120 Ia 184 E. 2b; siehe für die Schweiz auch Kiener, Garantie, Rz. 21, und Müller / Schefer, Grundrechte, S. 937 ff. 58
	        

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