Volltext: Grundrechtspraxis in Liechtenstein

nen besonders schweren Eingriff in das Grundrecht auf den ordentli- chen Richter genügt, wird sich noch zeigen müssen. Es gibt durchaus auch andere Fallkonstellationen, über die man diskutieren könnte, ob sie der Kategorie des leichten oder des schweren Eingriffs in das Recht auf den ordentlichen Richter zuzuordnen sind. Man kann sich auch fragen, worin sich eine «differenzierte» Prü- fung von einer Prüfung nach dem groben Willkürraster unterscheidet. Je nachdem, wie die jeweilige Prüfung ausfällt, kann sich sowohl eine Prü- fung nach dem groben Willkürraster als «differenziert» und umgekehrt eine «differenzierte» Prüfung als eine nach dem groben Willkürraster er- weisen.196Dies lässt sich aus dem Umstand erklären, dass der Staatsge- richtshof, wenn er im Rahmen des groben Willkürrasters eine Verlet- zung des Grundrechts auf den ordentlichen Richter feststellt, um eine ausführlichere Begründung bemüht ist, als wenn er keine Verletzung an- nimmt. Wolfram Höfling197betrachtet jedenfalls die Anwendung der Willkürformel bei der Prüfung von Verfahrensgrundrechten nicht nur als überflüssig. Sie gehe auch zu Lasten der Beschwerdeführer. Er be- mängelt nämlich, dass sie zu einer ungerechtfertigten Zurücknahme der Prüfungskompetenz und dadurch zu einer «Verharmlosung» der Verlet- zung von Verfahrensgrundrechten führe. In StGH 2011/10198hat der Staatsgerichtshof, soweit ersichtlich, erstmals im Rahmen einer «diffe- renzierten Prüfung» nach der «Verfahrensverfügungsformel» unter- sucht, ob für den zu beurteilenden Grundrechtseingriff, konkret für den Eingriff in das Recht auf den ordentlichen Richter, eine «genügende ge- setzliche Grundlage» vorliege und ob dieser sowohl im öffentliche Inte- resse als auch verhältnismässig sei. Ob sich der Staatsgerichtshof auch 372Tobias 
Michael Wille 196Vgl. etwa StGH 1998/29, Urteil vom 3. September 1998, LES 1999, S. 276 (280 ff. Erw. 3.2.1 ff.), und StGH 2008/2, Urteil vom 23. Oktober 2009, <www.gerichtsent scheide.li>, S. 26 ff. Erw. 3.1 ff. Während der Staatsgerichtshof in StGH 1998/29 eine differenzierte Prüfung vorgenommen hat, hat er in StGH 2008/2 eine Prüfung nach dem groben Willkürraster durchgeführt. Vergleicht man die beiden Entscheidungen, so kommt man nicht umhin festzustellen, dass auch die Prüfung nach dem groben Willkürraster in StGH 2008/2 eher einer differenzierten Prüfung gleichkommt. 197Höfling, Verbot, S. 961 f., der auch darauf hinweist, dass der 1. Senat des Bundes- verfassungsgerichtes die vom 2. Senat durchweg angewandte Willkürformel – je- denfalls im Bereich der Verfahrensgrundrechte – für einen unzulänglichen Prü- fungsmassstab hält. 198StGH 2011/10, Urteil vom 29. August 2011, nicht veröffentlicht, S. 18 f. Erw. 2.3.1. 48
	        

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