Volltext: Grundrechtspraxis in Liechtenstein

aber, dass der Staatsgerichtshof bisher, soweit ersichtlich,188äusserst sel- ten das Grundrecht auf den ordentlichen Richter «differenziert» geprüft hat.189Obwohl es sich beim Recht auf den ordentlichen Richter um ein «spezifisches» Grundrecht handelt, dem er in StGH 1998/29190einen materiellen Gehalt zugesprochen hat, stuft er es regelmässig auf ein Will- kürverbot zurück, das als Auffanggrundrecht dient.191Damit besteht aber die Gefahr, dass dieses «spezifische» Verfahrensgrundrundrecht, wie Beispiele zeigen,192vom «subsidiär» geltenden Willkürverbot ver- drängt wird193und letztlich «leerläuft» bzw. sein materieller Gehalt aus- gehöhlt wird.194Der Staatsgerichtshof prüft zwar einen besonders schweren Eingriff in das Grundrecht auf den ordentlichen Richter diffe- renziert. Bisher hat er jedoch einen solchen nur angenommen, wenn ei- nem Rechtsuchenden die Beschreitung des Rechtsweges (von vornhe- rein) abgeschnitten wird.195Ob dieser Sachverhalt als Kriterium für ei- 371 
Recht auf den ordentlichen Richter 188Im Anwendungsbereich des Rechts auf den unabhängigen und unparteiischen Rich- ter erfolgt nach seiner Rechtsprechung stets eine differenzierte Prüfung; siehe dazu hinten Rz. 55. 189So etwa beispielsweise in StGH 1998/29, Urteil vom 3. September 1998, LES 1999, S. 276 (280 ff. Erw. 3.2.1 ff.), und StGH 2011/10, Urteil vom 29. August 2011, nicht veröffentlicht, S. 17 ff. Erw. 2.3 ff. 190StGH 1998/29, Urteil vom 3. September 1998, LES 1999, S. 276 (280 ff. Erw. 3.2.1 ff.). 191Höfling, Verbot, S. 960, spricht in diesem Zusammenhang für Deutschland von der «Super- und Zauberformel des Willkürverbotes», von der die Justizgrundrechte, insbesondere der Anspruch auf rechtliches Gehör sowie das Recht auf den gesetz - lichen Richter, überdeckt und nivelliert werden, denn bei diesen Verfahrensgrund- rechten finde besonders häufig eine «Vermischung» mit der Willkürformel statt. 192StGH 1998/45, Urteil vom 22. Februar 1999, LES 2000, S. 1 (5 ff. Erw. 2 ff.); StGH 1998/48, Urteil vom 22. Februar LES 2001, S. 119 (122 f. Erw. 2.4 ff.); StGH 2005/88, Urteil vom 27. März 2007, nicht veröffentlicht, S. 14 ff. Erw. 3 ff.; StGH 2007/139, Urteil vom 30. September 2008, nicht veröffentlicht, S. 14 f. Erw. 3 ff.; StGH 2008/2, Urteil vom 23. Oktober 2009, <www.gerichtsentscheide.li>, S. 26 ff. Erw. 3.1 ff.; StGH 2009/96, Urteil vom 25. Oktober 2010, <www.gerichtsent scheide.li>, S. 17 ff. Erw. 2 ff. Siehe auch vorne Rz. 45 und Fn. 183. 193Vgl. für Deutschland Höfling, Verbot, S. 960, der konstatiert, dass es für die Ver- drängung des speziellen Verfahrensgrundrechts des Rechts auf den gesetzlichen Richter zahlreiche Belege gibt. 194Vgl. auch die entsprechende Kritik von Höfling am deutschen Bundesverfassungs- gericht in: ders., Verbot, S. 960 ff. Der Staatsgerichtshof nahm allerdings gerade in Anlehnung an diesen Aufsatz von Höfling in StGH 1997/27 eine Präzisierung des Prüfungsrasters vor. 195Ausführlich dazu vorne Rz. 36 ff. Eine differenzierte Prüfung nimmt der Staatsge- richtshof allerdings auch dann vor, wenn es um den Teilgehalt des Rechts auf den unabhängigen und unparteiischen Richter geht. Siehe weiter hinten Rz. 55.
	        

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