Volltext: Grundrechtspraxis in Liechtenstein

wirkung dieses Grundrechts nicht über das Willkürverbot hinausgehe. Folglich sei Art. 33 Abs. 1 LV nicht anwendbar. Diese Aussage ist wi- dersprüchlich. Entweder ist diese Verfassungsbestimmung anwendbar und der Staatsgerichtshof konstatiert einen leichten Eingriff, oder sie ist nicht anwendbar, da kein Eingriff in dieses Grundrecht erfolgt ist. Ist ein leichter Eingriff gegeben, kommt nach seiner Rechtsprechung nur der Willkürraster in Frage. Die Folge ist, dass Art. 33 Abs. 1 LV nicht zur Anwendung gelangt. Dieses Ergebnis ist nicht schlüssig, denn ein leich- ter Eingriff in dieses Grundrecht lässt sich nur feststellen, wenn es über- haupt auf den konkreten Fall anwendbar ist, wenn also sein sachlicher Gewährleistungsbereich tangiert ist. Um feststellen zu können, ob ein leichter oder schwerer Eingriff in das Grundrecht auf den ordentlichen Richter stattgefunden hat, ist erforderlich, dass es anwendbar ist. Diese Rechtsprechung stimmt im Übrigen auch nicht mit seiner gängigen Praxis überein, wonach der Staatsgerichtshof bei leichten Ein- griffen im Rahmen des (groben) Willkürrasters untersucht, ob das Recht auf den ordentlichen Richter missachtet worden ist.185Nicht zu bean- standen wäre sie etwa dann, wenn der Staatsgerichtshof zum Schluss käme, dass von vorneherein kein Eingriff erfolgt ist. Stellt er aber einen Eingriff in Art. 33 Abs. 1 LV fest, dann ist dieses Grundrecht unter dem jeweils anwendbaren Prüfungsraster vollständig zu prüfen. Ein solches Vorgehen würde mit der in seiner Rechtsprechung entwickelten Rang- folge übereinstimmen, wonach sich das als ungeschriebenes Grundrecht anerkannte Willkürverbot gegenüber den «spezifischen» Grundrechten – hier dem Recht auf den ordentlichen Richter – subsidiär verhält.186 Seitdem der Staatsgerichtshof seine Rechtsprechung zur «Verfah- rensverfügungsformel» in Anlehnung an die Kritik von Wolfram Höf- ling, die dieser gegenüber dem deutschen Bundesverfassungsgericht vor- gebracht hatte, in StGH 1997/27187präzisiert hat, ist es gefestigte Praxis, dass er nur bei besonderer Schwere der Beeinträchtigung des Rechts auf den ordentlichen Richter eine differenzierte Prüfung vornimmt. Leichte Eingriffe werden nach dem groben Willkürraster geprüft. Tatsache bleibt 370Tobias 
Michael Wille 185Siehe die vorne in Fn. 171 aufgezeigten Rechtsprechungsbeispiele. 186Siehe allgemein dazu und zur Kritik an dieser Position des Staatsgerichtshofes Vogt, Willkürverbot, S. 384 ff. 187StGH 1997/27, Urteil vom 18. November 1997, LES 1999, S. 11 (15 Erw. 5.1). 
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