Volltext: Grundrechtspraxis in Liechtenstein

3.Die Bindung der Gerichtsbarkeit und Verwaltung Der Staatsgerichtshof legt wie der österreichische Verfassungsgerichts- hof122den Begriff des ordentlichen Richters weit aus und versteht da- runter auch Verwaltungsbehörden.123Er negiert zwar einen Anspruch auf ein Verfahren vor einer unabhängigen Verwaltungsbehörde,124da sich der besondere verfassungsmässige Schutz auf den ordentlichen Richter nur auf Gerichte und nicht auch auf Verwaltungsbehörden be- ziehe, sodass er nach Art. 33 Abs. 1 LV i.V.m. Art. 6 Abs. 1 EMRK nicht für die Ausstandsfrage eines Gemeinwesens herangezogen werden könne.125Dies betrifft auch Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts, wenn sie Hoheitsgewalt ausüben.126Art. 6 Abs. 1 Bst. a LVG gilt nur dann, wenn ein Mitglied einer Verwaltungsbehörde in eigener Sache zu entscheiden hat. In diesem Fall hat es in den Aus- stand zu treten. Anders verhält es sich, wenn eine Gemeinde (Gemein- derat) als Verwaltungsbehörde im eigenen Interesse gehandelt hat. Die Ausstandsregeln sind nur für die einzelnen Mitglieder (natürlichen Per- sonen) und nicht auch für die Verwaltungsbehörde als solche verbind- lich.127In diesem Sinn hat der Staatsgerichtshof unlängst die Befangen- 356Tobias 
Michael Wille 122Siehe etwa Berka, Grundrechte, Rz. 774 mit Rechtsprechungsnachweisen, und Berchtold, Recht, S. 718. 123Siehe insbesondere auch die Rechtsprechung des Staatsgerichtshofes, wonach Art. 33 Abs. 1 LV dann verletzt ist, wenn eine Gerichts- oder Verwaltungsbehörde eine Entscheidung in Anspruch nimmt, die ihr kompetenzmässig nicht zusteht, oder umgekehrt, wenn sie eine ihr gesetzlich zustehende Angelegenheit ablehnt. Statt vie- ler StGH 1978/3, Entscheidung vom 24. April 1980, LES 1980, S. 28 (31 f. Erw. 4); StGH 1981/12, Urteil vom 28. August 1981, LES 1982, S. 125 (126); StGH 2001/19, Entscheidung vom 17. September 2001, LES 2004, S. 148 (150 Erw. 2.1); StGH 2004/9, Urteil vom 3. Mai 2004, LES 2006, S. 96 (100 Erw. 2.2), und StGH 2004/15, Urteil vom 3. Mai 2004, nicht veröffentlicht, S. 13 Erw. 2.2; siehe auch StGH 2008/176, Urteil vom 18. Januar 2010, S. 12 Erw. 2.1, und StGH 2009/69, Urteil vom 14. Dezember 2009, nicht veröffentlicht, S. 11 ff. Erw. 2.1 ff.; vgl. auch Höfling, Grundrechtsordnung, S. 231; Gstöhl, Recht, S. 43 ff., sowie Kley, Grundriss, S. 264 f. Differenzierter gestaltet sich in diesem Zusammenhang die Rechtslage in der Schweiz. Siehe dazu Kiener, Garantie, Rz. 7 f., Müller / Schefer, Grundrechte, S. 927 f. und S. 947 ff., sowie Steinmann, Art. 30 BV, S. 622 f. Rz. 4. 124Vgl. dazu auch Gstöhl, Recht, S. 47 f. 125StGH 1989/14, Urteil vom 31. Mai 1990, LES 1992, S. 1 (3 Erw. 2.2). 126Der Staatsgerichtshof hat dazu in seinem Urteil zu StGH 2008/176 allerdings keine expliziten dogmatischen Ausführungen gemacht. 127Siehe auch Kley, Grundriss, S. 265. 29
	        

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