Volltext: Grundrechtspraxis in Liechtenstein

7.2Qualifizierte Rechtsverletzung Nach der konstanten Rechtsprechung des Staatsgerichtshofes liegt ein Verstoss gegen das Willkürverbot nur vor, wenn ein Gesetz oder eine Entscheidung einer rechtsanwendenden Behörde für den Betroffenen eine qualifizierte Rechtsverletzung beziehungsweise eine krasse Unge- rechtigkeit darstellt.38Es genügt daher nicht, wenn ein Gesetz unsachlich oder eine behördliche Entscheidung unrichtig ist. Erst die unvertretbare, sachlich unter keinen Umständen begründbare gesetzliche Regelung und die qualifiziert unrichtige Entscheidung verletzen das Willkürverbot.39 Der Staatsgerichtshof hebt also eine gesetzliche Bestimmung auf, wenn diese in bestimmten Fällen zu «einem geradezu stossenden und damit rechtsungleichen und willkürlichen Ergebnis»40führt oder wenn 313 
Willkürverbot gen der Willkürrechtsprechung ist auch in Liechtenstein längst anerkannt, dass die Qualifizierung einer E [Entscheidung] als ‹willkürlich› keineswegs den Vorwurf be- inhaltet, die entscheidende Behörde habe sich bewusst und gewissermassen ‹böswil- lig› über klares Recht hinweggesetzt […]», mit Verweis auf Höfling, Grundrechts- ordnung, S. 221, und Batliner, Rechtsordnung, S. 113. Siehe auch StGH 2003/75, Entscheidung vom 4. Mai 2004, S. 7, im Internet abrufbar unter <www.stgh.li>; StGH 2009/79 und StGH 2009/80, Urteil vom 15. September 2009, S. 14 Erw. 4.2, nicht veröffentlicht. Zur Entwicklung des Staatsgerichtshofes von einem subjekti- ven Willkürbegriff hin zu einem objektiven Willkürbegriff siehe Hoch, Schwer- punkte, S. 67 und S. 69 mit Rechtsprechungsnachweisen. Der Begriff der objektiven Willkür findet sich auch in der Willkürrechtsprechung des deutschen Bundesverfas- sungsgerichtes, vgl. etwa: BVerfGE 80, S. 48 (51); BVerfGE 83, S. 82 (84); BVerfGE 86, S. 59 (63); BVerfGE 96, S. 189 (203). Ferner verwendet auch der österreichische Verfassungsgerichtshof einen objektiven Willkürbegriff, vgl. VfSlg 7775/1976; VfSlg. 8808/1980. Dies gilt ebenso für das schweizerische Bundesgericht, vgl. BGE 45 I 28 E. 2 S. 36; BGE 83 I 160 E. 6 S. 171. Für den Begriff der objektiven Willkür des deutschen Bundesverfassungsgerichtes, des österreichischen Verfassungsge- richtshofes sowie des schweizerischen Bundesgerichts siehe Vogt, Willkürverbot, S. 184 mit Nachweisen zur Rechtsprechung und Lehre. 38Das Erfordernis der qualifizierten Rechtsverletzung oder der krassen Ungerechtig- keit findet sich in praktisch allen Entscheidungen des Staatsgerichtshofes zum Will- kürverbot; vgl. dazu Vogt, Willkürverbot, S. 105 f. und S. 185 ff. 39Vgl. dazu StGH 1996/46, Urteil vom 5. September 1997, LES 1998, S. 191 (195), wo der Staatsgerichtshof festhält: «Im vorliegenden Fall ist indessen die E [Entschei- dung] des OG [Obergerichts] wenn auch unrichtig, so doch sehr wohl nachvoll- ziehbar begründet. Aufgrund dieser Erwägungen ist der vorliegenden Verfassungs- beschwerde trotz der im Ergebnis falschen Begründung der obergerichtlichen E keine Folge zu geben.» 40StGH 1987/21 und 1987/22, Urteil des Staatsgerichtshofes – als Verwaltungsge- richtshof – vom 4. Mai 1988, LES 1989, S. 45 (47).15 16
	        

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