7.Willkürkriterien 7.1Begriff «objektive Willkür» Der Staatsgerichtshof versteht das Willkürverbot in einem objektiven Sinn.36Das heisst, die Motive der handelnden Staatsorgane sind uner- heblich, es kommt also nicht auf deren Böswilligkeit oder schlechte Ab- sicht an. In diesem Sinne hat der Staatsgerichtshof schon in StGH 1961/1 ausgeführt: «Während nun auch bei Verletzung verfahrensrechtlicher Bestim- mungen die österreichische Rechtsprechung eine solche Willkür nur dann als gegeben annimmt, wenn sich die Behörde bei der Ge- setzesverletzung von unsachlichen Motiven leiten liess […], somit also insbesondere […] bei Verschulden, sieht die neuere schweize- rische Rechtsprechung eine solche Willkür schon dann als gegeben, wenn die Verletzung formellen Rechts eine ‹Rechtsverweigerung› zur Folge hat, insbesondere auch wenn das rechtliche Gehör ver- weigert wurde, und zwar ohne Rücksicht auf subjektive Momente […]. Die schweizerische Praxis entspricht jedoch nach liechtenstei- nischen Verhältnissen dem Rechtschutzbedürfnis in besserer Weise als die österreichische. Der Staatsgerichtshof schliesst sich im vor- liegenden Falle der neueren schweizerischen Auffassung an. Es ist im vorliegenden Falle also nicht zu prüfen, ob bei Verletzung von Verfahrensvorschriften eine subjektiv begründete Benachteiligung vorliegt, […] sondern lediglich, ob das formelle Recht so wesent- lich verletzt wurde, dass es einer Rechtsverweigerung gleich- kommt.»37 312Hugo
Vogt nimmt. Danach besteht bei der Erfüllung von staatlichen Aufgaben eine Grund- rechtsbindung, und zwar unabhängig davon, ob diese Aufgaben durch den Staat oder durch privatrechtliche Organisationen erfüllt werden […].» Vgl. dazu auch Häfelin / Müller / Uhlmann, Verwaltungsrecht, Rz. 296; Weber-Dürler, Gleichheit, Rz. 8. 36In der Anfangsjudikatur des Staatsgerichtshofes findet sich aber gelegentlich auch der Begriff der subjektiven Willkür. Vgl. dazu StGH 1974/15. Entscheidung vom 9. April 1976, S. 10, nicht veröffentlicht; StGH 1977/8, Entscheidung vom 21. No- vember 1977, LES 1981, S. 48 (52). Siehe dazu auch Hoch, Schwerpunkte, S. 67; Höfling, Grundrechtsordnung, S. 221. 37StGH 1961/1, Entscheidung vom 12. Juni 1961, S. 4 f., nicht veröffentlicht. Vgl. aus der neueren Rechtsprechung auch StGH 1998/44, Urteil vom 8. April 1999, LES 2001, S. 163 (183), wo der Staatsgerichtshof festhält: «Im Gegensatz zu den Anfän- 14