Volltext: Grundrechtspraxis in Liechtenstein

zeichnet lediglich einen freien Willensakt. Seit den amerikanischen Un- abhängigkeitsbestrebungen und der französischen Revolution wird mit «Willkür» zunehmend die absolutistische Machtausübung der Monar- chen bezeichnet; der Begriff erfährt damit eine negative Umdeutung.18 Er hat diese negative Konnotation bis heute behalten und bedeutet in der Alltagssprache «ein Handeln nach Belieben»19und ohne Grund.20 Der juristische Sprachgebrauch knüpft an die Alltagssprache an. In der Lehre wird der Begriff «Willkür» als krasse Ungerechtigkeit und als qualifizierte Verletzung des Rechts beschrieben.21Und der Staatsge- richtshof bezeichnete das Willkürverbot in der Vergangenheit «als letzte Verteidigungslinie des Rechts gegenüber derart offensichtlichem Un- recht […], dass es in einem modernen Rechtsstaat nicht zu tolerieren ist […]».22Er hat aber keinen einheitlichen Willkürbegriff entwickelt. Es existieren zahlreiche Formelvarianten zum Willkürverbot, wobei der Staatsgerichtshof insbesondere zwischen Willkür in der Rechtssetzung und Willkür in der Rechtsanwendung unterscheidet. 4.Inhalt des Willkürverbots Beim ungeschriebenen Grundrecht «Willkürverbot» handelt es sich um ein klassisches Abwehrrecht gegen den Staat. Dieses ist – wie der allge- meine Gleichheitssatz – «nicht auf bestimmte Lebensbereiche oder Sach- 309 
Willkürverbot 18Vgl. Thürer, Willkürverbot, S. 427 f. mit Literaturnachweisen. Im Zeitalter der Auf- klärung (18. Jahrhundert) rückte die Vernunft ins Zentrum des Denkens und alles «Nicht-Rationale» wurde von den Aufklärern abgelehnt. Dadurch erfuhr der Be- griff der Willkür diese negative Umdeutung. 19Uhlmann, Willkürverbot, S. 262. Siehe auch Thürer, Willkürverbot, S. 423 f.; Mül- ler G., Art. 4 aBV, Rz. 48; Imboden, Schutz, S. 151, der festhält, Willkür sei ein Han- deln nach Gunst und Laune. 20Vgl. dazu auch Uhlmann, Willkürverbot, S. 262. 21Vgl. zu alldem auch Uhlmann, Willkürverbot, S. 261 f. Vgl. zum Willkürbegriff in der Lehre und der Rechtsprechung auch Fritzen, Willkürbegriff, S. 39 ff. 22StGH 1995/28, Urteil vom 24. Oktober 1996, LES 1998, S. 6 (11). Vgl. auch StGH 2005/83, Urteil vom 3. Juli 2006, S. 14, nicht veröffentlicht. Der Staatsgerichtshof hat aber auch deutlich festgehalten, dass die Qualifizierung einer Gerichtsentschei- dung als willkürlich nicht bedeutet, dass der Staatsgerichtshof damit das Abgleiten des Rechtsstaates in einen Unrechtsstaat gerade noch verhindert hätte. Vgl. StGH 1998/44, Urteil vom 8. April 1999, LES 2001, S. 163 (183).910
	        

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