Volltext: Grundrechtspraxis in Liechtenstein

I.Allgemeines 1.Ideengeschichtliche und verfassungsgeschichtliche Entwicklung Die ideengeschichtlichen Wurzeln des Willkürverbots gehen auf das Wi- derstandsrecht zurück.1Der Gedanke, dass die Menschen das Recht ha- ben, sich gegen die Willkürherrschaft aufzulehnen und diese – gegebe- nenfalls auch mit illegalen Mitteln – zu bekämpfen, zieht sich durch die ganze Geschichte.2 Das Willkürverbot wurde in der liechtensteinischen Verfassungsge- schichte durch keine Verfassungsurkunde garantiert. Der Begriff «Will- kür» findet sich erstmals in der Rechtsprechung des Staatsgerichtshofes zum allgemeinen Gleichheitssatz. Der Staatsgerichtshof hält beispiels- weise fest, es sei dem Gesetzgeber untersagt, die Landesbürger aufgrund willkürlicher Differenzierungen ungleich zu behandeln,3oder er sagt, Art. 31 Abs. 1 Satz 1 LV verbiete «die ungleiche oder willkürliche Aus- übung der Staatsfunktionen in politischer, wirtschaftlicher und kulturel- ler Hinsicht».4 Der Staatsgerichtshof leitete das Willkürverbot seit den 1950er Jah- ren aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ab.5Einen Paradigmenwechsel 305 
Willkürverbot 1Vgl. Huber, Sinnzusammenhang, S. 127 ff.; Müller G., Art. 4 aBV, Rz. 48; Thürer, Willkürverbot, S. 430; Uhlmann, Willkürverbot, S. 188 ff.; Rouiller Claude, Pro- tection contre l’arbitraire et protection de la bonne foi, in: Thürer Daniel / Aubert Jean François / Müller Jörg Paul (Hrsg.), Verfassungsrecht der Schweiz. Droit con- stitutionnel suisse, Zürich 2001, § 42 Rz. 1 f.; Imboden, Schutz, S. 145 ff. 2Vgl. dazu Vogt, Willkürverbot, S. 45 ff. mit Literaturnachweisen. 3Vgl. etwa: Gutachten des Staatsgerichtshofes vom 15. Juli 1952, ELG 1947–54, S. 161 (163 f.). Siehe auch Gutachten des Staatsgerichtshofes vom 1. September 1958, ELG 1955–61, S. 129 (131). 4Entscheidung vom 15. Juli 1952, ELG 1947–1954, S. 259 (263 f.). 5Der Staatsgerichthof orientiert sich bei der Zuordnung des Willkürverbots zum all- gemeinen Gleichheitssatz an der Rechtsprechung des Bundesgerichts; vgl. etwa: StGH 1961/1, Entscheidung vom 12. Juni 1961, S. 4 f., nicht veröffentlicht; StGH 1974/15, Entscheidung vom 12. Januar 1976, S. 6 ff., nicht veröffentlicht. Vgl. auch Höfling, Grundrechtsordnung, S. 222 f. Das Bundesgericht hatte in einem ersten Schritt entschieden, es verstosse gegen die Rechtsgleichheit des Art. 4 aBV, wenn dem Beschwerdeführer der Zugang zum gesetzlichen Richter verwehrt werde (formelle Rechtsverweigerung). In einem zweiten Schritt stellte das Bundesgericht fest, es sei ebenfalls von einem Verstoss gegen Art. 4 aBV auszugehen, wenn sich der 123
	        

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