Volltext: Grundrechtspraxis in Liechtenstein

Aufgrund des Legalitätsprinzips muss sich die Praxis jeweils am geltenden Recht orientieren. Daher liegt keine Praxisänderung vor, wenn sich die Rechtslage geändert hat und sich die neue Praxis an dieser ausrichtet.108 3.6Gleichbehandlung in Abweichung vom Gesetz («Gleichbehandlung im Unrecht») Das Schlagwort «Gleichbehandlung im Unrecht»109umschreibt das Pro- blem, dass eine Norm stets falsch und beim Anlassfall das erste Mal rich- tig angewandt wird. Diese erstmalige richtige Anwendung des Gesetzes bedeutet gegenüber den vorangegangenen Fällen einen Gleichheitsver- stoss; die Entscheidung kann sich aber auf das Gesetz stützen und ist (formal) rechtmässig.110 Bei der «Gleichbehandlung im Unrecht» kolli- diert der Anspruch auf Gleichbehandlung mit dem Legalitätsprinzip.111 Die herrschende deutsche und österreichische Lehre und Rechtspre- chung geben in diesem Fall durchwegs dem Legalitätsprinzip den Vor- zug und lehnen einen Anspruch auf «Gleichbehandlung im Unrecht» konsequent ab.112Im Gegensatz dazu wird dieses Problem in der 274Andreas 
Kley / Hugo Vogt 108StGH 1980/4, Entscheidung vom 27. August 1980, LES 1981, S. 185 (186). Siehe dazu auch Kley, Grundriss, S. 210 f. Vgl. auch Müller G. zu Art. 4 aBV, Rz. 42 ff. mit Nachweisen zur Rechtsprechung des schweizerischen Bundesgerichts. 109Die Gleichbehandlung im Unrecht kann besser umschrieben werden mit «Gleich- behandlung in Abweichung vom Gesetz». Vgl. Müller G. zu Art. 4 aBV, Rz. 45 ff., Fn. 99 mit Verweis auf Auer, L’égalité, S. 300. 110Vgl. dazu Auer, L’égalité, S. 284 f., sowie Lindeiner, Willkür, S. 125. 111Vgl. Häfelin / Haller / Keller, Bundesstaatsrecht, Rz. 770 ff.; Weber-Dürler, Gleich- heit, Rz. 37 f. 112Vgl. dazu etwa: Dürig Günter, Art. 3 Abs. 1, in: Maunz Theodor / Dürig Günter et al. (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, München, Loseblattsammlung, Stand 1973, Rz. 179 ff.; Randelzhofer Albrecht, Gleichbehandlung im Unrecht? Zur Problema- tik eines Anspruchs auf Beibehaltung rechtswidrigen Verwaltungshandelns, in: JZ 1973, S. 536 ff. (S. 538 ff.); Sachs Michael, Der Gleichheitssatz als eigenständiges subjektives Recht, in: Festschrift für Karl Heinrich Friauf, Heidelberg 1996, S. 309 ff. (321 ff.) mit zahlreichen Hinweisen zur Lehre. Anderer Meinung ist aber etwa: Kirchhof Paul, Gleichheit in der Funktionenordnung, in: Isensee Josef / Kirchhof Paul (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutsch- land. Band V: Allgemeine Grundrechtslehren, Heidelberg 1992, § 125, Rz. 65 ff. Für die österreichische Rechtsprechung und herrschende Lehre siehe, Pöschl, Gleich- heitsrechte, Rz. 84 f.; Öhlinger, Verfassungsrecht, Rz. 796; Walter / Mayer / Kucsko- Stadlmayer, Grundriss, Rz. 1372. Anderer Ansicht sind aber Neisser Heinrich / Schantl Gernot / Welan Manfried, Betrachtungen zur Judikatur des Verfassungsge- richtshofes (Slg. 1967), in: ÖJZ 1969, S. 318 ff. und S. 645 ff. (S. 653 ff.). 43
	        

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