Volltext: Grundrechtspraxis in Liechtenstein

griffe ohne gesetzliche Grundlage möglich.63Solche Rechtsverhältnisse betrafen Personen, die in einem engen Verhältnis zum Staat oder zu ei- ner öffentlichen Anstalt standen: so öffentliche Bedienstete, Schüler, Strafgefangene, aber auch etwa Rechtsanwälte. Nach heutigem Ver- ständnis kann ein solcher Sonderstatus allenfalls eine gewisse Lockerung der Anforderungen an die gesetzliche Grundlage für Grundrechtsein- griffe rechtfertigen64und auch bei der Prüfung der weiteren Grund- rechtseingriffskriterien des öffentlichen Interesses und der Verhältnis- mässigkeit kann dies angemessen berücksichtigt werden.65Faktisch wurde aber die Rechtsfigur des besonderen Rechtsverhältnisses bei der Prüfung von Grundrechtseingriffen aufgegeben zugunsten der lückenlo- sen Anwendung der erwähnten allgemeinen Prüfungskriterien.66 4.Öffentliches Interesse Bei der Beurteilung des für einen Eingriff in die Meinungsfreiheit erfor- derlichen öffentlichen Interesses ist zu berücksichtigen, dass häufig auch elementare private, dem öffentlichen Interesse gleichwertige Rechte Dritter, so insbesondere deren Persönlichkeitsrechte, diesem Grund- recht entgegenstehen;67Art. 10 Abs. 2 EMRK listet denn auch eine breite Palette legitimer privater und öffentlicher Interessen auf.68Von vornhe- rein kein legitimes öffentliches Interesse ist jedoch der Schutz der Mehr- heit gegen Minderheitsmeinungen. Die Meinungsfreiheit dient gerade 206Hilmar 
Hoch 63Siehe StGH 1985/7, LES 1987, 52 (54 Erw. 8), sowie die Kritik an dieser Entschei- dung bei Ritter Michael, Das liechtensteinische Beamtenrecht, Diss. Bern 1992, S. 222 f. und 226, sowie Höfling, Grundrechtsordnung, S. 137. 64Vgl. Berka, Grundrechte, Rz. 570. 65Siehe hinten Rz. 20. 66StGH 1994/18, LES 1995, 122 (130 Erw. 2.2); VBI 2000/108, Erw. 12; vgl. auch Mül- ler / Schefer, Grundrechte, S. 403 ff. 67Umgekehrt ist es regelmässig gerade im öffentlichen Interesse, dass eine bestimmte Meinung geäussert werden kann; vgl. Müller / Schefer, Grundrechte, S. 347; siehe auch vorne zur Doppelfunktion der Meinungsfreiheit Rz. 4. 68Nationale bzw. öffentliche Sicherheit, territoriale Unversehrtheit, Aufrechterhal- tung der Ordnung, Verhütung von Straftaten, Schutz der Gesundheit oder der Mo- ral, des guten Rufes oder der Rechte anderer, Verhinderung der Verbreitung vertrau- licher Informationen, Wahrung der Autorität und der Unparteilichkeit der Recht- sprechung. Siehe hierzu auch StGH 1994/6 («Heinzel»), LES 1995, 23 (26 Erw. 3). 16
	        

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