Volltext: Grundrechtspraxis in Liechtenstein

Unabhängig hiervon gelten aber nach der StGH-Rechtsprechung für Grundrechte mit einem klar abgrenzbaren sachlichen Geltungsbe- reich, wie eben auch die Meinungsfreiheit, in jedem Fall die allgemeinen Grundrechtseingriffskriterien – auch dann, wenn eine Grundrechtsnorm der Landesverfassung keinen expliziten Gesetzesvorbehalt enthält. Nach dieser Schrankendoktrin kann jedes Grundrecht durch den Gesetzgeber eingeschränkt werden, doch nur unter Beachtung des Übermassverbots und der Kerngehaltsgarantie (sogenannte Schranken-Schranken).51 2.Rechtfertigungsbedürftige Grundrechtseingriffe Nach den genannten Kriterien rechtfertigungsbedürftige Eingriffe in die Meinungsfreiheit können verschiedenste Massnahmen sein, mit welchen die freie Meinungsäusserung direkt oder indirekt beeinträchtigt wird.52 Davon ist nicht nur die direkte Unterbindung bzw. das Verbot der Mei- nungsäusserung erfasst, wie durch ein Unterlassungsurteil oder die Be- schlagnahmung von Druckerzeugnissen, sondern auch die Androhung und die Verhängung von Sanktionen im Zusammenhang mit der Aus- übung dieses Grundrechts.53Solche Sanktionen sind neben Entschädi- gungszahlungen für die Folgen einer Meinungsäusserung auch deren straf-54oder disziplinarrechtliche55Ahndung oder auch die Ankündi- gung des Landesfürsten gegenüber dem damaligen VBI-Präsidenten, diesen im Gefolge einer bei einem Vortrag geäusserten Rechtsauffassung nicht mehr für dieses Richteramt zu ernennen.56Keine Sanktion und so- mit auch kein Eingriff in die Meinungsfreiheit sind hingegen pfleg- 204Hilmar 
Hoch 51Siehe StGH 1997/19, LES 1998, 269 (273 f. Erw. 3.2 f.); siehe hierzu auch Höfling, Grundrechtsordnung, S. 97; Hoch, Schwerpunkte, S. 73, und Hoch, Kriterien, S. 641. 52Von vornherein nicht rechtfertigungsfähig ist jegliche allgemeine Vorzensur; siehe hinten Rz. 22. 53Ausführlich hierzu Grabenwarter, EMRK, S. 272 f. Rz. 12 ff. 54StGH 1994/6 («Heinzel»), LES 1995, 23 (20 f. Erw. 2). 55StGH 1994/18, LES 1995, 122; VBI 2000/108, Erw. 12. 56EGMR v. 28. Oktober 1999 («Wille»), EuGRZ 2001, 475, siehe hierzu auch Höfling, Wirkgeschichte, S. 229 ff.; Kley / Tophinke, Art. 16 BV, S. 375 Rz. 20; Frowein / Peu- kert, EMRK, S. 342 Rz. 1 und S. 371 Rz. 44; vgl. auch die Urteilskritik bei Graben- warter, EMRK, S. 274 Rz. 17. 
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