Volltext: Grundrechtspraxis in Liechtenstein

Zur Grundrechtssensibilisierung insbesondere auch hinsichtlich der Meinungsfreiheit trug dann entscheidend das Inkrafttreten der Eu- ropäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) für Liechtenstein im Jahre 1982 bei.5Die EMRK sieht in dem die Meinungsäusserungsfreiheit normierenden Art. 10 – wie auch bei anderen EMRK-Grundrechten – materielle Eingriffsschranken vor, was den Staatsgerichtshof zu einer ge- genüber seiner bisherigen Praxis wesentlich differenzierteren Prüfung der Zulässigkeit von Grundrechtseingriffen veranlasste.6Im «Heinzel»- Fall, dem leading case für die neuere StGH-Rechtsprechung zur Mei- nungsfreiheit,7stützte sich der Staatsgerichtshof dann auch primär auf die etablierte Strassburger Rechtsprechung.8Letztlich ist aber aus der neueren StGH-Rechtsprechung kein inhaltlicher Unterschied zwischen der Gewährleistung der Meinungsäusserung gemäss EMRK und gemäss Landesverfassung ersichtlich.9Anders als die EMRK blieb der in Liech- tenstein im Jahre 1999 in Kraft getretene Internationale Pakt über die bürgerlichen und politischen Rechte (UNO-Pakt II)10ohne Relevanz für die StGH-Rechtsprechung zur Meinungsfreiheit.11197 
Meinungsfreiheit die öffentlichen Ämter oder die Ausführung einer vom Lande zu vergebenden Ar- beit übertragen (wird)». Höfling a. a. O. kritisiert zu Recht, dass der Staatsgerichts- hof damit «die politisch-kommunikative Dimension des Falles und somit auch die Doppelfunktion der Meinungsgrundrechte völlig (verkannte)» (vgl. ferner Höfling, Grundrechtsordnung, S. 131 ff. sowie derselbe, Wirkgeschichte, S. 220 und 222 f.; siehe auch Marxer, Medien, S. 122 f.). 5LGBl. 1982/60. 6Siehe Hoch, Schwerpunkte, S. 72 mit Rechtsprechungsnachweisen; vgl. auch Villi- ger, in diesem Handbuch S. 36 f. 7StGH 1994/8, LES 1995, 23 (26 f. Erw. 3 f.) – auch abgedruckt in EuGRZ 1994, 607. Dieser Fall betraf einen Journalisten, der am liechtensteinischen Gesellschaftswesen äusserst polemisch Kritik geübt und Liechtenstein unter anderem als «durch und durch verkommenes und verbrecherisches Staatsgebilde» bezeichnet hatte. Er war deshalb wegen Verletzung von § 248 Abs. 1 StGB («Herabwürdigung des Staates und seiner Symbole») verurteilt worden. Der Staatsgerichtshof erachtete dies als un- verhältnismässigen Eingriff in die Meinungs- bzw. Pressefreiheit. Die Strafnorm selbst hob er jedoch nicht auf, da sie verfassungskonform (restriktiv) ausgelegt wer- den könne. Ausführlich zu dieser Entscheidung Höfling, Wirkgeschichte, S. 226 ff. 8Der Oberste Gerichtshof hat sich in einer Entscheidung zur Meinungsäusserungs- freiheit aus dem Jahr 2000 gar ausschliesslich auf Art. 10 EMRK bezogen und Art. 40 LV nicht einmal erwähnt; siehe OGH v. 3. Mai 2000, LES 2000, 224. 9Siehe Höfling, Verfassungsbindung, S. 28 f.; vgl. auch Hoch, Kriterien, S. 643. 10LGBl. 1999/58. 11Zu den entsprechenden Art. 19 f. UNO-Pakt II siehe Auer / Malinverni / Hottelier, Band II, Rz. 501; vgl. Marxer, Medien, S. 120 f. Der Uno-Pakt II hat allerdings in 3
	        

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