Volltext: Grundrechtspraxis in Liechtenstein

Polizeiliche Massnahmen, die der Herstellung und Aufrechterhal- tung der öffentlichen Ordnung dienen, rechtfertigen grundsätzlich eine Einschränkung der Kultusfreiheit, wobei die für Grundrechtseingriffe geltenden Voraussetzungen gegeben sein müssen.107In diesem Sinne ver- steht auch das schweizerische Bundesgericht den Begriff der öffentlichen Ordnung. Es hat in einer Entscheidung aus dem Jahre 1987 erklärt, Ein- schränkungen der Kultusfreiheit seien nur zulässig, wenn sie auf einer gesetzlichen Grundlage beruhten, im öffentlichen Interesse lägen und verhältnismässig seien.108 Diese einseitig auf nichtkatholische Religionsgemeinschaften aus- gerichtete Schrankenregelung bedeutet nicht, dass die Kultusfreiheit der römisch-katholischen Kirche nicht auch begrenzt werden könnte. «Mangels ausdrücklicher Schrankenregelung»109unterliegt die Ein- schränkung der Kultusfreiheit der römisch-katholischen Kirche eben- falls den Voraussetzungen, wie sie der Staatsgerichtshof generell für Ein- griffe in Grundrechte festlegt,110wobei auch Art. 9 Abs. 2 EMRK zum Tragen kommt. Diese EMRK-Schrankenklausel ergänzt Art. 37 Abs. 2 2. Halbsatz LV, indem sie ebenfalls die für die Religionsfreiheit bzw. Kultusfreiheit zulässigen Einschränkungen aufzählt und die Polizeigüter in den Vordergrund stellt.111Danach darf die Ausübung der Religion oder Weltanschauung nur beschränkt werden, wenn die Schranken vom Gesetz vorgesehen sind und in einer demokratischen Gesellschaft not- wendige Massnahmen im Interesse der öffentlichen Sicherheit, der öf- fentlichen Ordnung, Gesundheit und Moral oder für den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer darstellen. Ähnliche materielle Eingriffs- schranken enthält auch der Internationale Pakt über bürgerliche und po- litische Rechte (Uno-Pakt II / IPBPR).112191 
Glaubens-, Gewissens- und Kultusfreiheit 107Zur Polizeigeneralklausel, die eine Ausnahme von der erforderlichen gesetzlichen Grundlage bildet, siehe Kley, Grundriss, S. 197 ff. 108Häfelin, Art. 50 altBV, Rz. 24 unter Bezugnahme auf BGE 113 Ia 304 (305). 109Höfling, Grundrechtsordnung, S. 129. 110Es sind dies, wie aus der in Fn. 92 angegebenen Rechtsprechung ersichtlich ist, ne- ben der gesetzlichen Grundlage die materiellen Eingriffsschranken, die auch Art. 9 Abs. 2 EMRK anführt. Nach Höfling, Grundrechtsordnung, S. 129, kann die Kul- tusfreiheit der römisch-katholischen Kirche lediglich «nach Massgabe der einschlä- gigen allgemeinen Grundsätze» eingeschränkt werden. 111Vgl. Karlen, Grundrecht, S. 302. 112Siehe oben Rz. 15.45 46
	        

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