Volltext: Grundrechtspraxis in Liechtenstein

wissen oder der Weltanschauung des Einzelnen im Zusammenhang ste- hen und nicht nach aussen in Erscheinung treten.102Insoweit ist auch nach Art. 37 Abs. 1 LV die Glaubens- und Gewissensfreiheit vorbehalt- los gewährleistet. Dem steht nicht entgegen, dass sie auf Grund kollidie- renden Verfassungsrechts eingeschränkt werden kann.103 3.Kultusfreiheit der Religionsgemeinschaften Die Schrankenklausel des Art. 37 Abs. 2 2. Satz LV betrifft nur die nicht- katholischen Religionsgemeinschaften. Mit Blick auf die römisch-katho- lische Kirche als Landeskirche spricht Wolfram Höfling104von einer ge- stuften, differenzierenden Gewährleistung der Kultusfreiheit. Sie wird nämlich den «anderen Konfessionen» lediglich «innerhalb der Schran- ken der Sittlichkeit und der öffentlichen Ordnung» garantiert. Eine ver- gleichbare Schrankenregelung findet sich in Art. 50 Abs. 1 der inzwi- schen aufgehobenen schweizerischen Bundesverfassung vom 29. Mai 1874, wonach Kultushandlungen die Grenzen der öffentlichen Ordnung und Sittlichkeit nicht überschreiten durften. Fasst man die öffentliche Ordnung als Gesamtheit der «rechtlich geschützten Güter» bzw. der «polizeilichen Schutzgüter» auf, so sind darunter alle Regeln zu verste- hen, die nach der jeweils herrschenden Auffassung für das geordnete Zu- sammenleben der Einzelnen bedeutsam sind. Die «öffentliche Ord- nung» kann als Vokabel anstelle einer Aufzählung der einzelnen Polizei- güter stehen.105Zum Kreis der Polizeigüter, die in der «öffentlichen Ordnung» enthalten sind, zählt jedenfalls auch die Sittlichkeit.106 190Herbert 
Wille 102Häfelin, Art. 49 altBV, Rz. 124 ff. 103Höfling, Grundrechtsordnung, S. 125 f., und ders., Grundrechtsordnung des Fürs- tentums Liechtenstein, Rz. 35, sowie Listl, Kirchenfreiheit, S. 465 f.; siehe auch nachstehend zur Kultusfreiheit. 104Höfling, Grundrechtsordnung, S. 129. Den Kultushandlungen der römisch-katho- lischen Kirche werden im Unterschied zu denen der «anderen Konfessionen» keine Schranken gezogen. 105Vgl. Wille H., Verwaltungsrecht, S. 465 ff.; in StGH 2007/91, Urteil vom 14. April 2008 (im Internet abrufbar unter <www.stgh.li>), S. 18 f. Erw. 6, weist der Staatsge- richtshof darauf hin, dass zur «öffentlichen Ordnung» in Sinne von Art. 37 Abs. 2 2. Halbsatz LV «zweifelsfrei auch das Bau- und Planungsrecht» gehört. 106Wille H., Verwaltungsrecht, S. 467 ff.; ders., Recht, S. 95 f.; vgl. für die Schweiz Kraus, Staatskirchenrecht, S. 103 f., und Häfelin, Art. 50 altBV, Rz. 24. 44
	        

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