Volltext: Grundrechtspraxis in Liechtenstein

2.2Kultusfreiheit Die Verfassung formuliert in Art. 37 Abs. 2 2. Halbsatz die Kultusfrei- heit im Zusammenhang mit den «anderen Konfessionen», d. h. nichtka- tholischen Religionsgemeinschaften70, denen sie die «Betätigung ihres Bekenntnisses und die Abhaltung ihres Gottesdienstes» gewährleistet. Sie ist auch der römisch-katholischen Kirche verbürgt, auch wenn sie in diesem Zusammenhang nicht eigens erwähnt wird. Als Landeskirche ge- niesst sie den «vollen Schutz» des Staates.71 Währenddem bei der Glaubens- und Gewissensfreiheit der Schutz des Einzelnen im Vordergrund steht, bezieht sich die Kultusfreiheit vor- nehmlich auf Religionsgemeinschaften.72So wurde sie, wie sich dies dem Verfassungstext entnehmen lässt, in erster Linie als Recht der Religions- gemeinschaften konzipiert. Die Verfassung hält die Kultusfreiheit so ge- sehen für ein Verbandsgrundrecht (der «Konfession» zustehend), aus dem sich auch das Recht auf freie Bildung von Religionsgemeinschaften erschliesst. Soweit die Kultusfreiheit das Recht schützt, zu religiösen Zwecken Vereine zu gründen und Versammlungen durchzuführen,73 stellt sie inhaltlich eine besondere Form des in Art. 41 LV gewährleiste- ten freien Vereins- und Versammlungsrechts dar. Die Kultusfreiheit ge- niesst ihm gegenüber als lex specialis den Vorrang, wenn es um Veran- staltungen oder Vereinsgründungen zu Kultuszwecken geht.74 Aus der Entwicklungsgeschichte75geht hervor, dass die Kultusfrei- heit auch als «notwendige Ergänzung» der Bekenntnisfreiheit gesehen wird.76Der Glaube führt zum Bekenntnis und das gemeinsame Be- kenntnis erfolgt im Gottesdienst.77Art. 9 Abs. 1 EMRK verdeutlicht, 184Herbert 
Wille 70Die Verfassung spricht in Art. 38 von «Religionsgesellschaften». 71Siehe auch unten Rz. 46 f. 72So Häfelin, Art. 49 altBV, Rz. 106, unter Bezugnahme auf einen Entscheid des Bun- desgerichts aus dem Jahre 1909. 73Die Kultusfreiheit wird unter diesem Gesichtpunkt als «Kirchenfreiheit» oder als kollektive Religionsfreiheit verstanden. Siehe dazu Ehrenzeller, Glauben, S. 307 Rz. 11, und Listl, Kirchenfreiheit, S. 463. 74Vgl. Wille H., Monarchie, S. 94 f. 75Siehe oben Rz. 5. 76Hense Hansgar, Zwischen Kollektivität und Individualität. Einige geschichtliche Aspekte der Religionsfreiheit, in: Heinig Hans Michael / Walter Christian (Hrsg.), Staatskirchenrecht oder Religionsverfassungsrecht? Ein begriffspolitischer Grund- satzstreit, Tübingen 2007, S. 7 (35) mit Literaturhinweisen. 77So Grundmann, Kultusfreiheit, S. 385. 
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