Volltext: Grundrechtspraxis in Liechtenstein

dass auch dem Einzelnen Rechte religiöser Betätigung zuerkannt wer- den.51Zur Glaubens- und Gewissensfreiheit ist zweifellos auch ein «äus- serer Bereich» zu rechnen, ohne den der Einzelne «seine Überzeugung und damit seine Persönlichkeit gar nicht entfalten» könnte.52 Die innere Glaubensfreiheit schützt das Recht auf freie innere Glaubensbildung und -entscheidung,53wobei als Glaube jede Beziehung des Menschen zu letztverbindlichen Gehalten anzusehen ist.54 Die Glaubensfreiheit beinhaltet auch das Denken, Reden und Han- deln gemäss der Religion55und stimmt insoweit mit der Freiheit des Be- kennens überein, wie sie von Art. 9 Abs. 1 EMRK erfasst wird. Die Be- kenntnisfreiheit als Ausdruck der äusseren Glaubensfreiheit sichert jeder Person das Recht zu, ihre Religion und ihre weltanschauliche Überzeu- gung in jeder Form, privat und öffentlich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen bekennen zu dürfen.56Sie wird auch von der Kultusfreiheit erfasst, wie sie in Art. 37 Abs. 2 2. Halbsatz LV enthalten ist.57 Geschützt wird neben der positiven auch die negative Seite der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit, nämlich das Recht, keinen Glauben zu haben, diesen nicht zu bekennen und nicht gemäss der eigenen Glau- bensüberzeugung zu handeln, und nicht zuletzt, zu verschweigen, was man glaubt oder nicht glaubt, also ein «Schweigerecht».58 Unter diesem Aspekt könnten christliche Symbole wie das Kreuz in der Schule zu Konflikten führen. Bisher ist es nämlich in Liechten- stein üblich, dass die Klassenzimmer öffentlicher Schulen mit Kreuzen oder Kruzifixen ausgestattet sind. In der Regel werden einfache Kreuze verwendet. Dagegen ist verfassungsrechtlich grundsätzlich nichts einzu- 181 
Glaubens-, Gewissens- und Kultusfreiheit 51In Anlehnung an Kraus, Staatskirchenrecht, S. 86 f. 52Hamel, Gewissensfreiheit, S. 47 f. 53Hafner, Gewissensfreiheit, Rz. 4, unter Bezugnahme auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung. Nach Listl, Kirchenfreiheit, S. 455, besteht die Glaubensfreiheit heute in dem Grundrecht, unbeeinflusst vom Staat und ebenso auch von gesell- schaftlichen Gruppen und Mächten, einen beliebigen Glauben zu haben, den Glau- ben zu wechseln oder auch keinen Glauben zu haben. 54Müller / Schefer, Grundrechte, S. 254; siehe auch Höfling, Grundrechtsordnung, S. 123. Näheres zur Weltanschauungsfreiheit siehe unten Rz. 29 f. 55Vgl. Kraus, Staatskirchenrecht, S. 86 f. 56Vgl. etwa Art. 15 Abs. 2 BV und Hamel, Gewissensfreiheit, S. 60 ff., sowie Listl, Kirchenfreiheit, S. 457. 57Siehe unten Rz. 33. 58Zippelius Reinhold / Würtenberger Thomas, Deutsches Staatsrecht, 32. Aufl., Mün- chen 2008, S. 273 Rz. 11.21 
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