Volltext: Grundrechtspraxis in Liechtenstein

Die in Art. 37 Abs. 2 LV erwähnten Schranken werden in Art. 9 Abs. 2 EMRK näher umschrieben und modifiziert, so dass diese Be- stimmung im Hinblick auf mögliche Beschränkungen der Glaubens-, Gewissens- und Kultusfreiheit zu berücksichtigen ist. Danach sind sie nur zulässig, soweit sie in einer demokratischen Gesellschaft im Inte- resse der öffentlichen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung, Gesundheit und Moral oder für den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer not- wendig sind. Vor dem Hintergrund der Europäischen Menschenrechtskonven- tion ist heute die Religionsfreiheit verfassungsrechtlich umfassend ge- währleistet.32Dies geht auch aus den wenigen Äusserungen des Staats- gerichtshofes zur Religionsfreiheit hervor.33Er bemüht sich generell um eine konventionskonforme Auslegung des liechtensteinischen Rechts und zieht die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Men- schenrechte (EGMR) als «Auslegungshilfe» für die Grundrechte der Verfassung heran. Aus Art. 9 Abs. 2 EMRK folgt, dass in Bezug auf die Religionsausübung die in Art. 37 Abs. 2 LV festgesetzte unterschiedliche Behandlung der römisch-katholischen Kirche und der «anderen Konfes- sionen» relativiert wird.34 Die religionsrechtliche Regelung der Verfassung verträgt sich mit Art. 9 EMRK.35Es würde auch ein System des Staatskirchentums nicht gegen die Menschenrechtskonvention verstossen, wenn innerstaatlich die Religionsfreiheit in dem von Art. 9 EMRK verlangten Mindestmass 177 
Glaubens-, Gewissens- und Kultusfreiheit neuen Verfassungslage seit 2003 siehe StGH 2004/45, Urteil vom 29. November 2004 (im Internet abrufbar unter <www.stgh.li>), S. 11 f., Erw. 2.1, und Wille Her- bert, Das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum und seine Auswir- kungen auf das liechtensteinischen Verfassungs- und Verwaltungsrecht, in: Bruha Thomas / Pállinger Zoltán Tibor / Quaderer Rupert (Hrsg.), Liechtenstein – 10 Jahre im EWR, LPS 40, Schaan 2005, S. 108 (119 f.), insbesondere Fn. 49 auf S. 120. Vgl. auch Wille T., Verfassungsprozessrecht, S. 260 ff. 32Zu den Einschränkungen siehe untenRz. 41 ff. 33Vgl. StGH 1985/11, Urteil vom 2. Mai 1988, LES 3/1988, S. 94 (101) und StGH 1995/34, Urteil vom 24. Mai 1996, LES 2/1997, S. 78 (83). Unter Hinweis auf Höf- ling, Grundrechtsordnung, S. 127, Fn. 41 und 42, betrachtet der Staatsgerichtshof in StGH 1995/12, Urteil vom 31. Oktober 1995, LES 2/1996, S. 55 (58), seine Recht- sprechung (Gutachten) zum früheren konfessionell ausgerichteten Eherecht als «obsolet». Sie kann hier mangels Aussagewert ausser Betracht bleiben. 34Siehe auch zur Kultusfreiheit unten Rz. 44 ff. 35Siehe oben Rz. 11 ff.12 
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