Volltext: Grundrechtspraxis in Liechtenstein

bejaht: So stelle es eine Grundrechtsverletzung dar, wenn der Staat auf- grund der Unauflösbarkeit der Ehe den Ehegatten die Scheidung und da- mit auch die Wiederverheiratung auf Dauer verwehre. «Denn aufgrund von Art. 38 PGR sind übermässige privatrechtliche Rechtsbeschränkun- gen nichtig. Diese mit Art. 27 ZGB fast völlig identische Bestimmung ist eine das Grundrecht der persönlichen Freiheit gemäss Art. 32 Abs. 1 LV im Sinne der sogenannten indirekten Drittwirkung konkretisierende Ge- neralklausel. Es kann deshalb kein Zweifel bestehen, dass umgekehrt die grundrechtliche Garantie der persönlichen Freiheit gemäss Art. 32 Abs. 1 LV diesen Normaspekt ebenfalls beinhaltet. Der Gesetzgeber darf kein Rechtsinstitut schaffen, das den einzelnen in einem Ausmass einschränkt, das für jeden privatrechtlichen Vertrag die Nichtigkeit zur Folge hätte.»59 Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte anerkennt für den Fall von Menschenrechtsbeeinträchtigungen seitens Privater die sog. «Schutzpflichten».60Der Staat ist daher gehalten, Beeinträchtigun- gen der persönlichen Freiheit und der Privatsphäre seitens Privater abzu- wehren. Das ist auch in Liechtenstein geschehen, etwa durch das Strafge- setzbuch (Art. 109 StGB: Tatbestand des Hausfriedensbruchs). Sodann hat der Staat auch dafür zu sorgen, dass Immissionen seitens Privater auf einem erträglichen Niveau bleiben, etwa durch Lärm oder durch Abgase und Gestank, was im Rahmen des Umweltschutzrechts erreicht werden soll.61Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat die Schutz- pflichten auf alle möglichen neuen Arten von Bedrohungen der Privat- sphäre erstreckt. So stellen gesundheits- und umweltschädigende Immis- sionen Eingriffe in die Unverletzlichkeit der Wohnung dar. Das gilt auch dann, wenn diese Immissionen von Privaten ausgehen. Der Staat muss auf Grund seiner Schutzpflichten aus Art. 8 Abs. 1 EMRK zumindest die gröbsten Immissionen unterbinden. So hat der Gerichtshof den uner- träglichen Gestank aus einer Abwasserreinigungsanlage62bzw. aus einer 145 
Freiheit der Person, Hausrecht sowie Brief- und Schriftengeheimnis 59StGH 1995/12, Urteil vom 31. Oktober 1995, LES 1996, 55 (59 Erw. 5.1). 60Vgl. das erste Urteil X. gegen die Niederlande vom 26. März 1985, Serie A/91; wei- tere Hinweise dazu bei: Breitenmoser, Art. 13 Abs. 1 BV, Rz. 7. 61Vgl. Art. 4 und 14 ff. des Umweltschutzgesetz (USG) vom 29. Mai 2008, LR 814.01. 62EGMR, Urteil vom 9. Dezember 1994, Lopez Ostra ./. Spanien, Appl. Nr. 16798/90, §§ 51 ff., sowie EuGRZ 1995, S. 530 ff. bzw. ÖJZ 1995, S. 347 ff.; vgl. Andreas Kley, Der Schutz der Umwelt durch die Europäische Menschenrechtskonvention, in: EuGRZ 1995, S. 507 ff.; siehe auch Breitenmoser, Art. 13 Abs. 1 BV, Rz. 17 m. w. H.; Schweizer, Art. 10 BV, Rz. 17.28
	        

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