Volltext: Grundrechtspraxis in Liechtenstein

Ein anderer umstrittener Komplex bildet sich rund um das Sterben von Menschen. Aus Art. 27ter LV wird man ebenso wenig wie aus Art. 2 EMRK ein Recht auf Sterbehilfe ableiten können.55Auf der ande- ren Seite sind die Staaten aber auch nicht verpflichtet, die Beihilfe zum Selbstmord oder das Töten auf Verlangen gesetzlich zu verbieten.56Die Rechtsprechung des EGMR lässt jedoch auch eine Garantenstellung des Staates erkennen, das Recht auf Leben sowohl vor Eingriffen durch den Staat selbst als auch durch Privatpersonen zu schützen.57Ein Beispiel ist die Abwehr einer unmittelbar drohenden Katastrophe.58Verabsäumt da- her der Staat eine erkennbar erforderliche Gefahrenabwehr, kann dieses Grundrecht im Einzelfall durchaus verletzt sein. Generell haben die Staaten allerdings einen gewissen Gestaltungsspielraum.59 2.Das Verbot der Todesstrafe Das Verbot der Todesstrafe gilt unter allen Umständen. Art. 27ter LV kennt nicht nur keinen Gesetzesvorbehalt. Es gibt auch kein Staatsnot- standsrecht, das eine Ausserkraftsetzung dieser Bestimmung erlaubte. Das in Art. 10 Abs. 2 LV erwähnte Recht auf Leben, das auch durch eine Notstandsverordnung nicht sistiert werden kann, umfasst systematisch auch das Verbot der Todesstrafe.60Dies ergibt sich nunmehr schon aus einer völkerrechtskonformen Interpretation (siehe Rz. 42). Der Begriff der Todesstrafe umfasst eine strafverfahrensabschlies- sende Sanktion.61Eine absichtliche Tötung durch staatliche Organe, wie sie etwa in den in Art. 2 Abs. 2 EMRK genannten Fällen zulässig ist, stellt keine Todesstrafe dar, verletzt aber in dem Fall, als die Ausnahme- tatbestände überschritten werden, das Recht auf Leben im Sinne des Art. 27ter erster Satz LV. 128Peter 
Bussjäger 55Grabenwarter / Pabel, EMRK, S. 148 Rz. 4. 56Grabenwarter / Pabel, EMRK, S. 155 Rz. 17. 57Grabenwarter / Pabel, EMRK, S. 154 Rz. 16. 58Vgl. den Fall Budayeva gg. Russland , EGMR 20.03.2008, Nr. 15339/02. 59Grabenwarter / Pabel, EMRK, S. 154 Rz. 16. 60Siehe auch Rz. 34. 61Biaggini, Bundesverfassung, Art. 10 Rz. 12. 
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