IV.Das Recht auf Leben und das Verbot der Todesstrafe 1.Das Recht auf Leben 1.1Herkunft und Verhältnis zu Art. 2 EMRK Art. 27ter LV rezipiert erkennbar Art. 10 Abs. 1 BV. Grundrechtsträger ist jeder Mensch, unabhängig von der Staatsangehörigkeit. Das Recht auf Leben ist darüber hinaus auch durch die EMRK geschützt. Gemäss Art. 2 Abs. 1 EMRK ist das Recht jedes Menschen auf Leben gesetzlich geschützt. Abgesehen von der Vollstreckung eines Todesurteils, das von einem Gericht im Falle eines durch Gesetz mit der Todesstrafe bedroh- ten Verbrechens ausgesprochen ist, darf nach dieser Bestimmung eine absichtliche Tötung nicht vorgenommen werden.44Das Recht auf Leben bildet, wie schon aus der systematischen Anordnung in Art. 2 der Kon- vention zum Ausdruck kommt, eine der fundamentalen Garantien der Konvention.45Eine solche besondere Stellung kommt dem Grundrecht allerdings auch durch seine Verankerung als zweites Grundrecht im Ka- talog der liechtensteinischen Verfassung zu. Art. 2 Abs. 2 EMRK enthält nun eine Reihe von Ausnahmen, nämlich unbedingt erforderliche Ge- waltanwendung, um a)die Verteidigung eines Menschen gegenüber rechtswidriger Ge- waltanwendung sicherzustellen, b)eine ordnungsgemässe Festnahme durchzuführen oder das Ent- kommen einer ordnungsgemäss festgehaltenen Person zu verhin- dern, c)um im Rahmen der Gesetze einen Aufruhr oder einen Aufstand zu unterdrücken. Es stellt sich nun die Frage nach dem Verhältnis von Art. 2 Abs. 2 EMRK zu dem wie dargestellt vorbehaltlos formulierten Art. 27ter LV. Geht Art. 27ter LV in seinem Schutzinhalt über die Art. 2 EMRK hi- naus? Der Wortlaut der LV, die jedem Menschen, also auch unabhängig seiner Staatsangehörigkeit, ein «Recht auf Leben» gewährt, unterschei- 125
Der Schutz der Menschenwürde und des Rechts auf Leben 44Gemäss Art. 1 6. ZP EMRK ist die Todesstrafe abgeschafft. Niemand darf zu dieser Strafe verurteilt oder hingerichtet werden (zu den Auswirkungen für Liechtenstein siehe näher Abschnitt IV.2. 45Grabenwarter, EMRK, S. 132 Rz. 1.29 30