Volltext: Grundrechtspraxis in Liechtenstein

–Eine im genannten Sinne geeignete Massnahme ist allerdings nur dann verfassungslegitim, wenn keine gleich geeignete, aber für den Betroffenen mildere Alternative zur Verfügung steht. Anders for- muliert: Der Eingriff darf in sachlicher, räumlicher, zeitlicher und personeller Hinsicht nicht weiter gehen als notwendig (Erforder- lichkeit). –Über die zweckrationalen Grundsätze der Geeignetheit und Erfor- derlichkeit hinausgehend wird zusätzlich verlangt, dass der Grund- rechtseingriff in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten Zweck steht und den betroffenen Grundrechtsträger nicht unzu- mutbar trifft (Verhältnismässigkeit im engeren Sinne; Proportiona- lität; Zumutbarkeit). Dieses ausdifferenzierte verfassungsrechtliche Kontrollregime wird vom schweizerischen Bundesgericht und vom deutschen Bundesverfassungs- gericht seit Langem praktiziert. Demgegenüber ist der liechtensteinische Staatsgerichtshof – ähnlich wie der österreichische Verfassungsgerichts- hof – erst relativ spät auf diese Linie eingeschwenkt.121Zunächst war vom Grundsatz der Verhältnismässigkeit eher formelhaft122die Rede.123 Grundsätzlichere Ausführungen finden sich erst in der Entscheidung des Staatsgerichtshofs zur Zwangsmitgliedschaft in der Gewerbegenos- senschaft Ende der 1980er Jahre.124Inzwischen aber folgt die Judikatur durchweg einer differenzierten Prüfung der Zulässigkeit von Grund- rechtseingriffen und gelangt durch die «mehrstufige Prüfung zu einer umsichtigen Abwägung der sich bei einem Grundrechtseingriff gegen- überstehenden öffentlichen und privaten Interessen».125Sie kontrolliert, ob der Grundrechtseingriff «geeignet, erforderlich und zumutbar» ist.126 105 
Schranken der Grundrechte 121Dazu mit Nachweisen Höfling, Grundrechtsordnung, S. 100. 122Frick, Gewährleistung, S. 222, spricht von «blossen Floskeln». 123Siehe beispielhaft StGH 1977/8, Erw. 3 f), LES 1981, S. 48 (52). 124StGH 1985/11, Erw. 16, LES 1988, S. 94 (99 f.). 125So die Wertung von Hoch, Schwerpunkte, S. 65 (73 f.); vgl. auch den Hinweis in StGH 2006/19, Erw. 2.1, LES 2008, S. 1 (4), auf eine differenzierte Prüfung des Übermassverbots; ferner etwa StGH 2008/63, Erw. 9.2 (S. 34); eingehendere Prü- fung in StGH 2008/38, Erw. 14 ff. 126So etwa StGH 2008/38, Erw. 8; siehe auch StGH 2005/12, Erw. 3.7 ff., und StGH 2005/23, Erw. 2.3.44
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.