Volltext: Grundrechtspraxis in Liechtenstein

3.2Vorbehaltlos gewährleistete Grundrechte und kollidierendes Verfassungsrecht Schliesslich bedarf ein weiterer Gesichtspunkt der Hervorhebung: Er betrifft vorbehaltlos gewährleistete Grundrechte, die lediglich nach Massgabe kollidierenden Verfassungsrechts beschränkt werden kön- nen.103Der Rückgriff auf Grundrechte Dritter oder anderer mit Verfas- sungsrang ausgestattete Rechtsgüter bedeutet nicht, dass diese gleichsam als verfassungsunmittelbare Schranken wirken. Vielmehr bedarf es auch hier der näheren Konkretisierung der verfassungsrechtlichen Kollisions- normen durch einfachgesetzliche Befugnisnormen.104 Die blosse Existenz etwa von verfassungsrechtlichen Kompetenz- zuweisungen (etwa «Förderung der gesamten Volkswohlfahrt») hat nicht zur Konsequenz, dass jedes staatliche Organ, allein auf solche Ver- fassungsprinzipien gestützt, in Grundrechte eingreifen kann.105Zwar mag der Begriff der verfassungsunmittelbaren Schranken106eine derar- tige Vermutung nahelegen. Doch würde dabei die modale Ausrichtung des grundrechtlichen Schutzes übersehen. Sie bezieht sich auf die Art und Weise des verfassungsrechtlichen Schutzes vor der Beeinträchtigung grundrechtlicher Schutzgüter. Den jeweiligen Grundrechtsbestimmun- gen sind neben den materiellen Positionen auch formelle Positionen zu- zuordnen. Diese haben u. a. zur Folge, dass überwiegende Gewichte ge- genläufiger Verfassungsprinzipien diesen keineswegs schon den Status hinreichender Eingriffsermächtigungen verleihen.107 102Wolfram 
Höfling 103Siehe noch oben Fn. 32. 104Für die deutsche Rechtslage siehe aus jüngerer Zeit etwa BVerfGE 107, 104 (120); 111, 147 (157 f.). 105Erst in den 1980er Jahren hat die Judikatur des Staatsgerichtshofs zutreffend he- rausgearbeitet, dass die blosse Existenz einschlägiger Staatsaufgabennormen keines- wegs mehr automatisch zu grundrechtsbeschränkenden Eingriffen legitimiert; siehe für die anders ausgerichtete Konzeption noch das Gutachten des Staatsgerichtshofs vom 27.3.1957, ELG 1955–1961, S. 118 (119); für die «Kehrtwendung» siehe StGH 1985/11, nicht veröffentlichtes Urteil vom 5.5.1987, S. 7; zum Ganzen auch Höfling, Grundrechtsordnung, S. 87 106Dazu oben Rz. 11 f. 107Siehe dazu Höfling, Grundrechtsordnung, S. 88 unter Bezugnahme auf Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 23. 
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