17
Sie Frage über die Natur der Versicherung,
ob sie grundsätzlich obligatorisch oder freiwillig
sein söffe, sollte meines Erachtens auf Grund
der Erwägungen in den vorgehenden Abschnit
ten im Sinn des allgemeinen Obligatoriums
entschieden werden.
Als Erstes sollte, wie wir dies schon dar
getan haben, die Krankenversicherung geordnet
werden.
Die Durchführung der Krankenversicherung
könnte den bestehenden Krankenkassen, insofern
sie herzu bereit sind und sich die Bevölkerung
einverstanden erklärt, übertragen werden. Er
geben sich jedoch für eine solche Lösung Schwie
rigkeiten, jo sind öffentlich-rechtliche Kranken
kassen zu errichten, die in Verbindung mit den
privaten Kassen die Aufgabe zu übernehmen
haben. Es dürfte sich empfehlen, der Bevölke
rung eine gewisse Freiheit in der Wahl der
Kasse zu lassen und nicht durch eine einzige
Kasse ein Monopol ausüben zu lassen. — Für
die. im Fürstentum wirkenden Kassen wäre
dann immerhin die Forderung aufzustellen,
daß sie ihren Sitz im Fürstentum' haben und
über ihre Tätigkeit im Fürstentum, besondere
Rechnung ablegen ftir den Fall, wo sie auch
außerhalb des Landes arbeiten sollten. Ten
Kassen wäre überdies die Bedingung aufzu
erlegen, daß sie mindestens die durch die Lan
desgesetzgebung festgesetzten Normalleistungen
gewähren. Als solche wären vielleicht ein Kran
kengeld von Fr. 1.20 oder diesem gleichwertig
die Uebernahme von drei Vierteilen der Kosten
für ärztliche Behandlung und Arznei in Aus
sicht zu nehmen.
Vielfach wenden sich die Aerzte gegen die
Gewährung freier ärztlicher Behandlung, weil
sie darin die Ueberführung des freien ärztlichen
Berufes in unselbständige Beamtung im
Dienste von Krankenkassen erblicken. Diese Be
fürchtungen mögen begründet sein, wenn in ei
ner obligatorischen, allgemeinen Volksversiche
rung auch ausnahmslos die Gewährung von
freier ärztlicher Behandlung festgesetzt wird.
Jedoch dort, wo diese Ordnung nicht besteht,
d. i. dort, wo es dem Einzelnen sreisteht, sich
entweder für Arztkosten und Arznei, oder nur
für ein Krankengeld zu versichern, dürften diese
Befürchtungen wesentlich zurücktreten. Ein
. großer Teil der Bevölkerung und gerade der
ökonomisch besser gestellte, wird im allgemei
nen die Versicherung eines Krankengeldes vor
ziehen, um sich so in Bezug auf Arztwahl, Kauf
der Medikamente und der therapeutischen
Hülfsmittel alle Freiheit zu wahren. Die
Aerzteschaft hat aber ein großes Interesse, daß
die weniger bemittelten Volkskreise für Arzt
und Arzneikosten versichert sind; denn so er
langt der Arzt in allen Fällen seiner Hülfe
leistungen auch Gewißheit, ftir seine Bemühun
gen auch entschädigt und bezahlt zu werden.
Wir sehen aber vor, daß nicht die vollen
Arzv- und Arzneikosten von der Krankenkasse zu
übernehmen sind, sondern nur drei Vierteile
dieser Kosten. Diese Einschränkung soll den
jenigen Kassen entgegenkommen, die im allge
meinen nicht geringe Befürchtungen hegen, die
volle freie ärztliche Behandlung und die Al^ .
gäbe von Arzneien und Hülfsmitteln zu si
chern. Tie Zurückhaltung der Krankenkassen ist
verständlich; denn die volle freie Ärztkosten-
und Arzneigewährung kann zu Mißbräuchen
und außerordentlichen Beanspruchungen der
Kassen führen, die für diese eine ständige Ge
fahr bedeuten. Tie Tatsache, daß der Ver
sicherte einen Viertel der erwachsenden Kosten
selbst zu tragen hat, wird ihn seinerseits nicht
veranlassen, den Arzt, wo er nötig wäre, nicht
zuzuziehen; anderseits ist diese Selbstbeteili
gung an den Kosten dazu angetan, allzuhäu
fige Arztkonsultationen und überflüssige Me
dikamente zu vermeiden.
Ein großer Nachteil der gegenwärtigen
Organisationen in der Krankenversicherung be
stehr darin, daß das Krankenkassenmitglied,
das die Leistungen während der statutarischen
Höchstdauer bezogen hat, ausscheidet und oft
gerade in dem Momente, wo es der Unterstütz
ung am meisten bedürfte, wieder sich selbst
überlassen bleibt. Hier ist in zweckdienlicher
Weise die Invalidenversicherung anzugliedern.
Zur Unterstützung der dauernd Kranken im
vollen Umfange eines Eristenzminimums sind
aber die lokalen Krankenkassen zu schwach. Hier
bedarf es für das Fürstentum der Schaffung
des Ausgleiches für das ganze Land. Für die
Invalidenversicherung ist daher ein einziger,
einheitlicher Versicherungsträger zu schaffen,
immerhin unter etwelcher Mitbeteiligung der
Krankenkassen. Eine zweckdienliche Lösung ließe
sich meines Erachtens in der Weise finden, daß
die Mindestleistungen vom Momente an, wo
die Bezugsberechtigung in der Krankeirkasse er
lischt, auf die Landesversicherungskasse über
gehen mir Ausnahme eines Betrages von z. B.
50 oder auch nur 30 Rappen pro Tag, der je
und je von jeder Krankenkasse für eigene Rech
nung weiter- zu entrichten wäre. Durch diese
dauernde Beteiligung der Krankenkassen an
den Leistungen für dauernde Invalidität wird