Volltext: Ueber die Durchführung der Sozialversicherung im Fürstentum Liechtenstein

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Sie Frage über die Natur der Versicherung, 
ob sie grundsätzlich obligatorisch oder freiwillig 
sein söffe, sollte meines Erachtens auf Grund 
der Erwägungen in den vorgehenden Abschnit 
ten im Sinn des allgemeinen Obligatoriums 
entschieden werden. 
Als Erstes sollte, wie wir dies schon dar 
getan haben, die Krankenversicherung geordnet 
werden. 
Die Durchführung der Krankenversicherung 
könnte den bestehenden Krankenkassen, insofern 
sie herzu bereit sind und sich die Bevölkerung 
einverstanden erklärt, übertragen werden. Er 
geben sich jedoch für eine solche Lösung Schwie 
rigkeiten, jo sind öffentlich-rechtliche Kranken 
kassen zu errichten, die in Verbindung mit den 
privaten Kassen die Aufgabe zu übernehmen 
haben. Es dürfte sich empfehlen, der Bevölke 
rung eine gewisse Freiheit in der Wahl der 
Kasse zu lassen und nicht durch eine einzige 
Kasse ein Monopol ausüben zu lassen. — Für 
die. im Fürstentum wirkenden Kassen wäre 
dann immerhin die Forderung aufzustellen, 
daß sie ihren Sitz im Fürstentum' haben und 
über ihre Tätigkeit im Fürstentum, besondere 
Rechnung ablegen ftir den Fall, wo sie auch 
außerhalb des Landes arbeiten sollten. Ten 
Kassen wäre überdies die Bedingung aufzu 
erlegen, daß sie mindestens die durch die Lan 
desgesetzgebung festgesetzten Normalleistungen 
gewähren. Als solche wären vielleicht ein Kran 
kengeld von Fr. 1.20 oder diesem gleichwertig 
die Uebernahme von drei Vierteilen der Kosten 
für ärztliche Behandlung und Arznei in Aus 
sicht zu nehmen. 
Vielfach wenden sich die Aerzte gegen die 
Gewährung freier ärztlicher Behandlung, weil 
sie darin die Ueberführung des freien ärztlichen 
Berufes in unselbständige Beamtung im 
Dienste von Krankenkassen erblicken. Diese Be 
fürchtungen mögen begründet sein, wenn in ei 
ner obligatorischen, allgemeinen Volksversiche 
rung auch ausnahmslos die Gewährung von 
freier ärztlicher Behandlung festgesetzt wird. 
Jedoch dort, wo diese Ordnung nicht besteht, 
d. i. dort, wo es dem Einzelnen sreisteht, sich 
entweder für Arztkosten und Arznei, oder nur 
für ein Krankengeld zu versichern, dürften diese 
Befürchtungen wesentlich zurücktreten. Ein 
. großer Teil der Bevölkerung und gerade der 
ökonomisch besser gestellte, wird im allgemei 
nen die Versicherung eines Krankengeldes vor 
ziehen, um sich so in Bezug auf Arztwahl, Kauf 
der Medikamente und der therapeutischen 
Hülfsmittel alle Freiheit zu wahren. Die 
Aerzteschaft hat aber ein großes Interesse, daß 
die weniger bemittelten Volkskreise für Arzt 
und Arzneikosten versichert sind; denn so er 
langt der Arzt in allen Fällen seiner Hülfe 
leistungen auch Gewißheit, ftir seine Bemühun 
gen auch entschädigt und bezahlt zu werden. 
Wir sehen aber vor, daß nicht die vollen 
Arzv- und Arzneikosten von der Krankenkasse zu 
übernehmen sind, sondern nur drei Vierteile 
dieser Kosten. Diese Einschränkung soll den 
jenigen Kassen entgegenkommen, die im allge 
meinen nicht geringe Befürchtungen hegen, die 
volle freie ärztliche Behandlung und die Al^ . 
gäbe von Arzneien und Hülfsmitteln zu si 
chern. Tie Zurückhaltung der Krankenkassen ist 
verständlich; denn die volle freie Ärztkosten- 
und Arzneigewährung kann zu Mißbräuchen 
und außerordentlichen Beanspruchungen der 
Kassen führen, die für diese eine ständige Ge 
fahr bedeuten. Tie Tatsache, daß der Ver 
sicherte einen Viertel der erwachsenden Kosten 
selbst zu tragen hat, wird ihn seinerseits nicht 
veranlassen, den Arzt, wo er nötig wäre, nicht 
zuzuziehen; anderseits ist diese Selbstbeteili 
gung an den Kosten dazu angetan, allzuhäu 
fige Arztkonsultationen und überflüssige Me 
dikamente zu vermeiden. 
Ein großer Nachteil der gegenwärtigen 
Organisationen in der Krankenversicherung be 
stehr darin, daß das Krankenkassenmitglied, 
das die Leistungen während der statutarischen 
Höchstdauer bezogen hat, ausscheidet und oft 
gerade in dem Momente, wo es der Unterstütz 
ung am meisten bedürfte, wieder sich selbst 
überlassen bleibt. Hier ist in zweckdienlicher 
Weise die Invalidenversicherung anzugliedern. 
Zur Unterstützung der dauernd Kranken im 
vollen Umfange eines Eristenzminimums sind 
aber die lokalen Krankenkassen zu schwach. Hier 
bedarf es für das Fürstentum der Schaffung 
des Ausgleiches für das ganze Land. Für die 
Invalidenversicherung ist daher ein einziger, 
einheitlicher Versicherungsträger zu schaffen, 
immerhin unter etwelcher Mitbeteiligung der 
Krankenkassen. Eine zweckdienliche Lösung ließe 
sich meines Erachtens in der Weise finden, daß 
die Mindestleistungen vom Momente an, wo 
die Bezugsberechtigung in der Krankeirkasse er 
lischt, auf die Landesversicherungskasse über 
gehen mir Ausnahme eines Betrages von z. B. 
50 oder auch nur 30 Rappen pro Tag, der je 
und je von jeder Krankenkasse für eigene Rech 
nung weiter- zu entrichten wäre. Durch diese 
dauernde Beteiligung der Krankenkassen an 
den Leistungen für dauernde Invalidität wird
	        

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