Volltext: Liechtensteiner Sagen neu erzählt

nun die stärksten Triesner auf, den Weidmann zu holen und zu ihm 
zu bringen, damit er ihn zur Rede stellen könnte. Als die Triesner auf 
der Weid oben ankamen, fanden sie einen zuvorkommenden Mann 
vor, der sie sogleich mit Speise und Trank versorgte. Er ging in den 
Keller und holte ihnen Milch und Käse. In der einen Hand hielt er 
eine Brente Milch und in der anderen einen grossen Käse. Die Tries- 
ner Männer erklärten ihm beim Essen, dass der Triesner Pfarrer mit 
ihm wegen des Kirchenbesuchs reden wolle. Der Weidmann war so- 
gleich einverstanden und begleitete seine Besucher nach dem Essen 
nach Triesen. Die Triesner haben für das steile Gelände immer ei- 
nen Stock in der Hand. Der Weidmann wollte auch so einen Stock. 
Kurzerhand riss er eine kleine Tanne aus und entastete sie mit der 
blossen Hand. In Triesen angekommen, war gerade Messe und die 
Männer gingen mit dem Weidmann in die Kirche hinein. Nach der 
Messe sassen der Triesner Pfarrer und der Weidmann zusammen, 
und der Pfarrer rügte ihn wegen seiner Gottlosigkeit, weil er nie zum 
Gottesdienst erscheine. Und er fragte den Weidmann auch, wie es 
ihm denn gefallen habe. Der Weidmann erklärte, dass er die Messe 
schön gefunden hätte, bis auf die Stelle, als das blutende Büblein an 
den Zehen in die Höhe gehalten wurde. Gerade in diesem Moment 
läuteten die Kirchenglocken zu Mittag. Der Pfarrer stand auf und 
betete. Der Weidmann blieb sitzen. Auf die Mahnung des Pfarrers, 
zu Mittag zu beten, antwortete der Weidmann, dass es noch nicht 
zu Mittag läute, und er werde dann schon beten, wenn es so weit sei. 
Kurz darauf — die beiden waren wiederum im Gespräch — stand der 
Weidmann auf. Es läute jetzt zu Mittag, erklärte er, und er bete jetzt. 
Der Pfarrer aber hörte das Läuten nicht. Der Weidmann sagte dem 
Pfarrer, er solle ihm auf den rechten Fuss steigen. Der Pfarrer tat es 
und hörte ein herrliches Glockengeläute vom Himmel. Daraufhin 
schickte der Pfarrer den Weidmann heim, und beim Abschied sagte 
er zu ihm, er solle leben wie bisher.
	        

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