Der rote Ziegenbock
Ein reicher Triesenberger Bauer schickte einmal am Sonntagmor-
gen seine Familie und das Gesinde in die Kirche und meinte, er
bleibe heute zuhause. Dies war ungewöhnlich und fiel einem der
Knechte auf, der sich in der Scheune versteckte, um zu sehen, warum
der Bauer allein sein wollte. Und wirklich kam der Bauer mit einem
Topf voller Geld in den Stall — es läutete gerade zur Wandlung. Er
löste ein Brett im Boden und leerte das Geld in ein Behältnis — ein
Chessi — unter diesem Brett. Nachdem der Bauer die Scheune wie-
der verlassen hatte, holte sich der Knecht etwas Geld aus dem ge-
heimen Versteck. Der Bauer kam wiederum mit Geld und bemerkte,
dass etwas von dem Geld fehlte, welches er gerade unter dem Brett
versteckt hatte. Nochmals ging er, um Geld zu holen, und als er den
dritten Topf mit Geld in das Versteck brachte, sagte er: «Zu diesem
Geld soll nur jemand kommen, der einmal beim Läuten zur Wand-
lung einen roten Ziegenbock im Namen der Dreifaltigkeit dreimal
um das Chessi treibt.» Kurze Zeit darauf, es waren gerade drei Wo-
chen vergangen, verstarb der Bauer, und der Knecht, der um das Ge-
heimnis wusste, tröstete die Witwe und die Töchter, die das Geld des
Bauern nicht fanden. Er gehe jetzt weg und komme bald wieder; in
dieser Zeit sollten sie beten. Drei Wochen später kam er mit einem
roten Ziegenbock zurück. Am darauf folgenden Sonntag schickte er
die Töchter in die Kirche und ging mit der Witwe in die Scheune.
Er holte den Ziegenbock und löste das Brett aus dem Boden. Beim
Wandlungsläuten rannte er mit dem Bock dreimal um das versteckte
Geld herum. Plötzlich sahen die Witwe und der Knecht den Bauern
auf seinem Geld sitzen. Nach dem Läuten verschwand sein Geist,
denn er war erlöst, und die Familie kam zu ihrem Geld. Zum Lohn
durfte der Knecht die älteste Tochter heiraten.
ZZ
AN