Volltext: Europäischer Föderalismus im Licht der Verfassungsgeschichte

Robert Schütze 
Doch waren diese Kompetenzen, anders als unter den Konföderations- 
artikeln, «nationaler» Natur. Der Unterschied zwischen einem (kon)fó- 
deralen und einem nationalen Gesetzgeber bestand darin, dass «ersterer 
für die Staaten als politischen Einheiten der Konfóderation, letzterer für 
die Individuen als Bürger der Nation» rechtsetzend tätig wurde.” Da es 
die Bundesverfassung der Union gestattete, unmittelbar auf die Bürger 
einzuwirken, hatte sie eindeutig eine «nationale» Natur. 
In Anbetracht aller drei Verfassungsdimensionen schlussfolgerte 
der «Federalist», dass die Bundesverfassung von 1787 in ihrer Gesamt- 
heit «streng genommen weder eine nationale noch eine föderale Verfas- 
sung, sondern eine Zusammensetzung beider» war. Die Bundesverfas- 
sung war eine «gemischte Verfassung».'! Sie ging einen «Mittelweg» zwi- 
schen internationaler und nationaler Ordnungsstruktur.? Es war dieser 
Mittelweg, der nun selbst mit der Idee des konstitutionellen Fôderalis- 
mus assoziiert werden sollte. 
Diese neue — amerikanische — Fóderalismustradition wurde durch 
einen Franzosen einem breiteren europäischen Publikum zugänglich 
gemacht.? Tocquevilles einflussreicher Bericht «De la Démocratie en 
Amérique» charakterisiert den Bund als «Mittelding» zwischen (interna- 
uonaler) Allianz und (nationalem) Staat. Die gemischte Verfassung der 
39  Ibid., 185. Im Federalist No. 15, hóren wir Hamilton folgendes zu Protokoll geben 
(ibid., 67): «The great and radical vice in the construction of the existing Confede- 
ration is in the principle of LEGISLATION for STATES or GOVERNMENTS, in 
their CORPORATE or COLLECTIVE CAPACITIES, and as contradistinguished 
from the INDIVIDUALS of which they consist. Though this principle does not run 
through all the powers delegated to the Union, yet it pervades and governs those on 
which the efficacy of the rest depends.» Und in den Worten desselben Autors im 
«Federalist No. 16» (ibid., 74): «It must stand in need of no intermediate legislati- 
ons; but must itself be empowered to employ the arm of the ordinary magistrate to 
execute its own resolutions. The majesty of the national authority must be mani- 
fested through the medium of the courts of justice.» 
40 Ibid., 187. 
41 Der Titel des «Federalist No. 40» ist «mixed government». 
42 Dieser Begriff findet sich in einem Brief J. Madisons an G. Washington vom 16 April 
1787; verfügbar auf http//www.constitution.org/jm/jm.htm: «Conceiving that an 
individual independence of the States is utterly irreconcileable with their aggregate 
sovereignty; and that a consolidation of the whole into one simple republic would 
be as inexpedient as it is unattainable, I have sought for some middle ground, which 
may at once support a due supremacy of the national authority, and not exclude the 
local authorities wherever they can be subordinately useful.» 
43 A. de Tocqueville, De la Démocratie en Amérique - Tome 1 (Calmann Lévy, 1888). 
98
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.