Die Verfassung der «Vereinigten Staaten von Amerika» von 1787
perfekter Staat zu sein. Sie bilden zusammen eine Bundesrepublik:
ihre gemeinsamen Beratungen beeinträchtigen dabei nicht im Ge-
ringsten die Souveränität der Mitgliedstaaten, auch wenn sie, in be-
stimmten Bereichen, die Ausübung ihrer Souveränität freiwillig be-
schränken. Aber eine Person hört eben nicht auf, frei und unab-
hängig zu sein, wenn sie Verpflichtungen erfüllen muss, zu denen
sie sich freiwillig verpflichtet hat. So war es früher mit den Städten
Griechenlands und ist es heute mit den Vereinigten Provinzen der
Niederlande und den Mitgliedern der Schweizerischen Eidgenos-
senschaft.
$ 11. Von einem Staat, der unter die Herrschaft eines anderen gera-
ten Ist
Aber ein Volk, das unter die Herrschaft eines anderen gerät, ist kein
Staat mehr. Es kann sich nicht mehr direkt auf das Völkerrecht be-
rufen. Dies geschah mit den Vólkern und Kónigtümern, die die Ró-
mer ihrem Reich unterwarfen: selbst die Mehrheit jener, die sie mit
den Namen «Freund» und «Verbündeter» auszeichneten, waren
keine wahren Staaten mehr. Diese Volker wurden zwar, im Inne-
ren, von ihren eigenen Gesetzen und Richtern regiert; aber nach
aussen waren sie verpflichtet, in jeder Sache die Befehle Roms zu
befolgen. Sie wagten es nicht mehr selbst Krieg zu führen oder Al-
lianzen zu schmieden und konnten nicht mit anderen Nationen
verkehren.!6
Ein Bundesvertrag war ein auf Dauer angelegter Vertrag, der die Errich-
tung eines ständigen diplomatischen Kongresses beinhaltete. Dennoch
würden die «gemeinsamen Beratungen» der Mitgliedstaaten nicht deren
Souveränität beeinträchtigen. Die Verpflichtungen innerhalb des Bundes
waren «freiwillige Verpflichtungen», welche es jedem Mitglied erlaub-
ten, ein «perfekter Staat» zu bleiben. Der völkerrechtliche Bund war
selbst kein Staat. Staaten waren seine Mitglieder. Der Bund endete dort,
wo die Mitgliedstaaten aufhörten Staaten zu sein; denn hier konnten sie
sich nicht mehr auf das Völkerrecht berufen.
Warum sollten sich Staaten föderalisieren? Im 18. Jahrhundert wer-
den auf diese Frage zwei berühmte philosophische Antworten gegeben:
16 Ibid., 131-135 (Hervorhebungen durch den Verfasser).
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