Ulrich Zelger
B. Konkordate
Während das Schweizerische Verfassungsrecht zumindest in der ersten
Hälfte des 19. Jahrhunderts von Diskontinuitäten geprägt ist, die regel-
mässig radikale Einschnitte in die Verfassungsgeschichte des Bundes und
der Länder darstellten, zeigt sich in anderen Bereichen eine Kontinuität.
In alltagsrelevanten Bereichen kommt es zu einer engen Zusammenar-
beit der Kantone, die die Umbrüche auf Ebene der Verfassung regelmäs-
sig unbeschadet übersteht.° Das Mittel dieser Zusammenarbeit ist alt
und neu, alt weil es dem Ancien Regime entstammt, neu weil es noch
heute — vermehrt —5* verwendet wird. Es handelt sich dabei um inter-
kantonale Vertráge, die zeitlich variierend, «Konkordate» oder «Ver-
komnisse» genannt werden. Konkordate, interkantonale Vertráge zwi-
schen mehreren oder allen Kantonen zu unterschiedlichen Sachfragen,
waren sowohl der Mediationszeit als auch dem Bundesvertrag bekannt.
Sie waren zulässig, insoweit dadurch nicht die Rechte anderer Kantone
oder des eidgenössischen Bundes verletzt würden. Art. 10 Mediations-
akte verbot Bündnisse zwischen den Kantonen unter einander oder mit
ausländischen Mächten überhaupt; aus gegebenen Anlass? gestattet die
Tagsatzung aber schon 1803 den Abschluss von «Verkomnissen», die
konfessionelle, zivile, polizeiliche und órtliche Angelegenheiten beinhal-
teten, sofern diese der Tagsatzung zu Kenntnis gebracht würden.5e Dies
war notwendig, um Regelungslücken im interkantonalen Verhältnis und
in Bereichen, in denen eine Zusammenarbeit unabdingbar war, zu
53 Zur interkantonalen Zusammenarbeit Abderhalden, Ursula, Móglichkeiten und
Grenzen der interkantonalen Zusammenarbeit, Freiburg 1999, zur geschichtlichen
Entwicklung S. 56 ff.
54 Zu den Konkordaten nach geltendem Recht vgl. Abderhalden, Ursula, Kommentar
zu Art. 48 BV (Verträge zwischen den Kantonen), in: Ehrenzeller / Mastronardi /
Schweizer / Vallender (Hrsg.), Bundesverfassung (wie FN 1), S. 882 ff. und Hänni,
Peter, Verträge zwischen den Kantonen und zwischen dem Bund und den Kanto-
nen, in: Thürer / Aubert / Müller (Hrsg.), Verfassungsrecht (wie FN 1), S. 443 und
die dort jeweils umfassend genannte Literatur.
55 Es ging um eine Übereinkunft zwischen den Kantonen Bern und Solothurn betref-
fend die religiösen Verhältnisse im reformierten Bucheggberg.
56 Kaiser, Jakob (Hrsg.), Amtliche Sammlung der neueren Eidgenössischen Abschiede,
Repertorium der Abschiede der eidgenössischen Tagsatzungen aus den Jahren 1803
bis 1813, in zweiter Auflage bearbeitet von Jakob Kaiser, Bern 1886, S. 143 f. (An-
trag), 178 (Beschluss).
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