Volltext: Europäischer Föderalismus im Licht der Verfassungsgeschichte

Förderale Verfassungsräume und -kulturen in historischer Perspektive 
spiel zu nennen, 1815 eidgenössische Truppen eine im Auftrag der Tag- 
satzung von auswärtigen Experten redigierte Verfassung im Tessin mili- 
tärisch durch, nachdem mehrere Tessiner Anläufe als zu liberal verwor- 
fen worden waren.?! Weniger erfolgreich war das Eingreifen der Tagsat- 
zung in der Regenerationszeit, was weniger an ihren Kompetenzen, als 
an ihrer inneren Handlungsunfähigkeit lag. Immerhin verfügte sie die 
Kantonsteilung in Basel und unterband eine solche in Schwyz. Wesent- 
lich ist schliesslich, dass die Verbindung der Kantone auf Dauer angelegt 
war: Der Bundesvertrag enthielt weder eine Revisions- noch eine Aus- 
stiegsklausel. Als Vertrag zwischen den Kantonen war er daher nur mit 
Zustimmung aller Kantone abänderbar. Insgesamt zeigt sich wohl, dass 
der Bund von 1815 keinen Bundesstaat konstituierte; dafür ist die Zen- 
tralgewalt deutlich zu schwach ausgebildet. Allerdings erscheint es mir 
zweifelhaft, die Eidgenossenschaft von 1815 als blossen Staatenbund ab- 
zutun. Dazu ist die kantonale Souveränität zu sehr beschränkt. 
Die Kantone selbst organisierten sich höchst heterogen. Sieht man 
von Neuenburg ab, das monarchisch organisiert war, waren alle Kantone 
der Eidgenossenschaft Republiken. In vielen Kantonen hatte die effek- 
tive Herrschaftsausübung allerdings einen stark aristokratischen Cha- 
rakter.? Die Regeneration brachte in den 1830er Jahren in vielen Kanto- 
nen eine Demokratisierung der staatlichen Organisation. 
5. Bundesstaat 
Da der Bundesvertrag keine Änderungsklausel enthielt, verwundert es 
nicht, dass in der Regeneration alle Versuche zur Reform des Bundes- 
vertrags scheiterten. Jede Änderung des Vertrags hätte Einstimmigkeit 
erfordert; diese zu erreichen, war aufgrund der immer weiter aufbre- 
chenden Gegensätze zwischen Konservativen und Liberalen / Radikalen 
unmöglich. Die meisten privaten” und die offiziellen Entwürfe von 
31 Dazu z.B. His, Geschichte (wie FN 23), 5. 66 ff. 
32 His, Geschichte (wie FN 23), S. 196. 
33 Erwihnt seien die Entwiirfe von Philippe de Maillardoz und Auguste Bontems, 
Alexander Roger, Karl Kasthofer, Gallus Jacob Baumgarnter, Kasimir Pfyffer und 
Karl Schnell. Besondere Beachtung verdienen jene von Ignaz Paul Vital Troxler und 
von James Fazey. Die beiden letztgenannten Entwürfe sind publiziert in: Brandt, 
Peter / Daum, Werner / Kirsch, Martin / Schlegelmilch, Arthur (Hrsg.) Quellen zur 
europáischen Verfassungsgeschichte im 19. Jahrhundert, Institutionen und Rechts- 
praxis im gesellschaftlichen Wandel, Teil 2: 1815-1847, CD-ROM Bonn 2010. 
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