Ulrich Zelger
Eng mit der Sicherung der inneren und äusseren Sicherheit ver-
bunden war die Gewährleistung von Verfassung und Gebiet der Kan-
tone. Darin liegen das zentrale Element und der Zweck des Bundesver-
trags. Die Gewährleistung erfolgte, so $ 1 des Bundesvertrages, nicht
durch den Bund, sondern durch die Kantone. Dies zeigte sich deutlich
an Einzelfällen, in denen Kantonsverfassungen aus rechtlichen oder po-
litischen Gründen nicht von allen Kantonen garantiert wurden.? In der
Praxis wurde die Gewährleistung der Kantonsverfassungen allerdings
durch die Tagsatzung verhandelt, weshalb sich dafür die Bezeichnung
«Bundesgarantie» einbürgerte. Bundesrechtlich geregelt waren auch be-
stimmte Voraussetzungen der Gewährleistung der Verfassungen: die
Respektierung der obersten Bundesbehörden und die Anerkennung der
Grundsätze des Bundesrechts ($ 15).? Damit war die Verfassungsgebung
der Kantone bundesrechtlichen Massstäben unterworfen. Die gewähr-
leisteten Verfassungen wurden schliesslich im Bundesarchiv hinterlegt.
In den Wirren der Regenerationszeit beschloss die Tagsatzung am
27. Dezember 1830, nicht in kantonalen Verfassungsfragen zu interve-
nieren, und es den Kantonen, im Rahmen der Vorgaben des Bundesver-
trags, frei zu stellen, die für notwendig erachteten Verfassungsänderun-
gen vorzunehmen. Allein dieser Beschluss zeigt, dass die souveräne,
unkontrollierte Verfassungsgebung in den Kantonen auch in der Praxis
eben nicht gegeben war. Es ist zurecht bemerkt worden, dass dieser Be-
schluss in Widerspruch zur Verpflichtung stand, die bereits gewährleis-
ten Kantonsverfassungen zu schützen.? Mehr noch als der Bundesver-
trag zeigt die Praxis die Unterordnung der kantonalen Verfassungsge-
bung unter das Bundesrecht. Die Tagsatzung intervenierte wiederholt
diplomatisch und militárisch, wenn Kantonsverfassungen als ungeeignet
empfunden wurden: So setzen, um eine besonders eindrückliches Bei-
27 Vgl. His, Geschichte (wie FN 23), S. 162 f.
28 Dazu Henke, Recht (wie FN 21), S. 229 f., der die Prüfbefungis der Tagsatzung un-
terstreicht.
29 Tagungsbeschluss über die Zulässigkeit kantonaler Verfassungsänderungen vom
27. Dezember 1830, Kaiser, Simon/Stickler, Johannes, (Hrsg.), Geschichte und
Texte der Bundesverfassungen der schweizerischen Eidgenossenschaft von der hel-
vetischen Staatsumwilzung bis zur Gegenwart, Bern 1901, S. 213 f.; vgl. dazu auch
Blumer, Johann Jakob, Handbuch der Schweizerischen Bundesstaatsrechts, Erster
Band, 2. Aufl. Schaffhausen 1877, S. 60.
30 His, Geschichte (wie FN 23), S. 163.
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