Ulrich Zelger
ten sie grosse Skepsis entgegen. Zielrichtung der Zusammenarbeit war
nie die Verdichtung; der Zusammenschluss der Kantone diente vielmehr,
wie schon Karl Schmid feststellte, «der Bewahrung des Eigenen im klei-
nen Raum»,? wofür ein gewisses Mass an Zusammenarbeit erforderlich
erschien. Die Kantone schlossen sich zusammen, um ihre Eigenart zu si-
chern und zu verteidigen. Dies zeigen deutlich der Bundesvertrag von
1815* und die Bundesverfassungen von 18485, 18746 und 19997. Jeden-
falls seit dem Fall des Ancien Regime unternahmen die Eidgenossen
keine Anstrengungen, neue Mitglieder in ihren Bund aufzunehmen.
Auch die Erweiterungen 1814/15 sind eher formeller Natur, betrafen sie
doch ehemals verbündete oder zugewandte Orte, deren enge Verbin-
dung zur Eidgenossenschaft infolge der französischen Expansion ge-
trennt worden war. Im folgenden werde ich dennoch auf einige, viel-
leicht anekdotische, Parallelen der schweizerischen und der europäi-
schen Entwicklung hinweisen. Auf Überlegungen zu den Verfassungen
bis 1850 folgen Hinweise auf die sich verdichtende Zusammenarbeit der
Kantone in derselben Zeit.
3 Vgl. Schmid, Karl, Versuche über die schweizer Nationalität, in: ders. Aufsätze und
Reden, Zürich 1957, S. 37 £., Zitat auf S. 38.
4 Bundesvertrag zwischen den XIII Cantonen der Schweiz vom 7. August 1815, $ 1
(Auzug) «Die XXII souveránen Cantone der Schweiz [...] vereinigen sich durch
den gegenwärtigen Bund zur Behauptung ihrer Freiheit, Unabhängigkeit und Si-
cherheit gegen alle Angriffe fremder Mächte, und zur Handhabung der Ruhe und
Ordnung im Inneren. Sie gewährleisten sich gegenseitig ihre Verfassungen [...]. Sie
gewährleisten sich gegenseitig ihr Gebiet.»
5 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 12. September 1848,
Art. 2: «Der Bund hat zum Zweck: Behauptung der Unabhängigkeit des Vaterlan-
des gegen Aussen, Handhabung von Ruhe und Ordnung im Inneren, Schutz der
Freiheit und der Rechte der Eidgenossen und Beförderungen ihrer gemeinsamen
Wohlfahrt.»
6 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 29. Mai 1874, Art 2:
«Der Bund hat zum Zweck: Behauptung der Unabhängigkeit des Vaterlandes gegen
aussen, Handhabung von Ruhe und Ordnung im Inneren, Schutz der Freiheit und
der Rechte der Eidgenossen und Beförderung ihrer gemeinsamen Wohlfahrt.»
7 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999, Art.
2 (Zweck): «Die Eidgenossenschaft schützt die Freiheit und die Rechte des Volkes
und wahrt die Unabhängigkeit und die Sicherheit des Landes. Sie fördert die ge-
meinsame Wohlfahrt, die nachhaltige Entwicklung, den inneren Zusammenhalt und
die kulturelle Vielfalt des Landes.»
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