Europäische Integration als föderaler Prozess
Parlament, etwa durch die Entsendung von zwei Parlamentsabgeordne-
ten,” trotz relativer Überrepräsentation durchaus auch auf politischer
Ebene von den anderen grösseren Mitgliedstaaten leichter akzeptiert
werden. Während gegen die Vertretung eines Kleinstaates im Rat der EU,
der sich nach dem völkerrechtlichen Prinzip der Staatengleichheit zu-
sammensetzt, aus rechtlicher Sicht, insbesondere mit Abschaffung der
Stimmengewichtung im Jahr 2017,% nichts einzuwenden ist, könnte hin-
gegen die politische Akzeptanz eines eigenen Sitzes und somit Vetorechts
bei Einstimmigkeitsentscheiden für Liechtenstein seitens der grösseren
Mitgliedstaaten zur Herausforderung werden. Diesbezüglich ist in der
für konsoziative Systeme typischen Entscheidungsregel mit qualifizier-
ter Mehrheit - gegenüber Beschlüssen mit Einstimmigkeitserfordernis —
ein Vorteil zu sehen. Denn trotz der primären Suche nach Konsens bei
qualifizierten Mehrheitsentscheiden weicht allein die bestehende Mög-
lichkeit, überstimmt zu werden, die Veto-Rechte der einzelnen Mitglie-
der bedeutend auf und reduziert dementsprechend auch die Sorge einer
Blockade durch einen sehr kleinen Staat.? Bezüglich der EU-Kommis-
sion ist grundsätzlich der Ansatz des Reformvertrags von Lissabon zu
begrüssen, da eine Verkleinerung nicht nur im Sinne der Effizienz, son-
dern auch im Sinne des nicht reprásentativen Charakters der Kommis-
sion zu sehen ist. Als ein Organ, das aus unabhängigen, im Interesse der
Union und nicht der einzelnen Mitgliedstaaten handelnden Kommissa-
ren besteht, spricht rechtlich nichts gegen einen Kommissar aus einem
kleinen Staat wie Liechtenstein. Zugleich wäre aber auch eine EU-Mit-
gliedschaft ohne eigenen Kommissar für den Kleinstaat nicht mit den
souveränitätsbedrohenden Konsequenzen einer mangelnden Repräsen-
tation im Rat der EU bzw. dem Europäischen Parlament verbunden.”
87 So ist Liechtenstein auch in den parlamentarischen Gremien des Europarates und
der OSZE mit jeweils zwei Abgeordneten vertreten, siehe Artikel 26 der Satzung
des Europarates und Artikel 1 der Geschäftsordnung der Parlamentarischen Ver-
sammlung der OSZE.
88 Siehe zur neuen Regelung des Artikels 16 Abs. 4 EUV Klemens H. Fischer, Der Ver-
trag von Lissabon, Baden-Baden 2008, S. 132; Jürgen Schwarze, Einführung: Der
Reformvertrag von Lissabon, in: ders. (Hrsg.), EU-Kommentar, 2. Auflage, Baden-
Baden 2009, Rn. 19.
89 Siehe dazu m. w. N. Oeter (Anm. 29), S. 77.
90 Vgl. hierzu die vorgesehenen Vorkehrungen, wie etwa die Transparenz gegenüber
allen Mitgliedstaaten, der Erklärung Nr. 10 der Schlussakte der Regierungskonfe-
renz 2007 zu Artikel 17 EUV, ABI. 2008 C 115/342.
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