Thomas Bruba/ Emilia Breuss
Demokratie.*6 Keinesfalls soll durch diese Interpretation einer demokra-
üschen Lósung der EU die Notwendigkeit von Verbesserungen, die ge-
rade in Hinblick auf die Transparenz des Handelns der Union besteht,
abgesprochen werden. Es zeigt aber auch, dass die bestehende institutio-
nelle Architektur und die Entscheidungsverfahren der EU nicht als will-
kürlich und defizitár in Hinblick auf das Ideal der in Nationalstaaten üb-
lichen parlamentarischen Mehrheitsdemokratie, sondern als auf ihre spe-
zifischen Eigenschaften zugeschnitten und demnach auch gewollt ver-
standen werden sollten.
Was nun die kleinstaatliche Partizipation betrifft, liegt die Not-
wendigkeit einer angemessenen Vertretung in den Unionsorganen sei-
tens der Kleinstaaten auf der Hand, da die mit einem EU-Beitritt ver-
bundene Aufgabe eines nicht unerheblichen Teils seiner Selbstbestim-
mung, ohne im Gegenzug die entsprechenden Móglichkeiten der Mitbe-
stimmung in den Entscheidungsprozessen der EU zu erlangen, für einen
Kleinstaat zu einer mit seiner staatlichen Souveränität nicht zu vereinba-
renden Fremdbestimmung führen würde. Basierend auf einem post-na-
tionalen Verständnis einer konsoziativ geprägten, europäischen Demo-
kratie lassen sich jedoch auch die oft befürchteten Repräsentationspro-
bleme sehr kleiner Staaten in den Institutionen der EU relativieren.
So würde zwar die Vertretung Liechtensteins im Europäischen Par-
lament die bereits bestehende Disproportionalität der Stimmen in dem
aus direkt gewählten Abgeordneten bestehenden EU-Organ zweifelsfrei
weiter steigern. Angesichts der - im Gegensatz zu Nationalstaaten — rela-
tivierten Rolle des Parlaments im konsoziativ geprágten System der EU
und dem Bestehen ergánzender demokratischer Elemente, wie etwa De-
liberation, in konsoziativen Demokratiemodellen führt eine solche Dis-
proportionalität nicht automatisch zur. Aushóhlung ihrer demokrati-
schen Legitimitdt. Im Lichte dieser relativierten Rolle des Parlaments
könnte eine Vertretung des liechtensteinischen Volkes im Europäischen
86 Siehe etwa zur sogenannten Ioannina-Formel Jan-Peter Hix, Artikel 205 EGV, in:
Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2. Auflage, Baden-Baden 2009, Rn. 8; zum Lu-
xemburger Kompromiss Karl Ekkhart Heinz, Das Bismarck-Reich als Staatenge-
meinschaft - Ein Beitrag zu den Lehren von Bundesstaat und Staatengemeinschaft,
Staatswissenschaften und Staatspraxis 5 (1994), S. 77 ff., 87; auch im Vertrag von Lis-
sabon ist die Einführung solch eines Schutzmechanismus vorgesehen, siehe Erklá-
rung Nr. Nr. 7 der Schlussakte der Regierungskonferenz 2007 zu Artikel 16 (4)
EUV und Artikel 238 (2) AEUV, ABI. 2008, C 115/338.
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