Volltext: Europäischer Föderalismus im Licht der Verfassungsgeschichte

Europäische Integration als föderaler Prozess 
Vertrag jetzt auch vertraglich ausgebauten Befugnisse der im Europäi- 
schen Rat zusammen kommenden Staats- und Regierungschefs der Mit- 
gliedstaaten,’° vermógen den generellen Befund nicht in Frage zu stellen. 
Sie drücken im Gegenteil das Essentiale der europäischen Integration als 
eines post-nationalen Zusammenschlusses aus, in welchem Mitgliedstaa- 
ten und supranationale Einrichtungen eine neue, nicht tendenziell bun- 
desstaatlich-monistisch, sondern supranational-dual zu verstehende 
Form der Föderation eingehen. Auf relative Dauer und nicht nur als 
Übergangsphase wird ein «Verbundgefüge jenseits von Bundesstaat und 
Staatenbund»?! herausgebildet und stabilisiert, das sich durch eine Mi- 
schung bundesstaats- und staatenbundsihnlicher Elemente und deren 
Anreicherung mit genuin eigenständigen innovativen Bau- und Funk- 
tionsprinzipien auszeichnet. In der oft zu vernehmenden Bezeichnung 
der Europäischen Union / der Gemeinschaft als eines Gebildes su gene- 
ris steckt insoweit ein Quäntchen Wahrheit.5? 
Der hybride Charakter, die Zwitterstellung der Gemeinschaftskon- 
struktion in dem erkenntlichen Bestreben, fortbestehende Eigenstaat- 
lichkeit mit supranationaler Herrschaft zu verbinden, erfáhrt so seine 
Erklärung. Das Zusammenwirken von Parlament und Rat bei der Ge- 
setzgebung, die Nichtverwirklichung des Prinzips gleicher Repräsenta- 
tion in diesen und einer Reihe anderer Organe, die Stellung der Kom- 
mission als Vertreterin des Allgemeininteresses, das januskopfige Amt 
des Hohen Vertreters für die Aussen- und Sicherheitspolitik^* wie über- 
haupt die spezifisch duale Austarierung eines «institutionellen Gleichge- 
wichts» zwischen Repräsentativorganen der Mitgliedstaaten und diesen 
gegenüber nicht gebundenen Organen werden vor dem Hintergrund des 
Mischcharakters des Gemeinschaftssystems. verstándlich.5 Gleiches 
gilt für die individualrechtliche Seite der Integration. So ist etwa die 
Unionsbürgerschatt* als ein bewusst dual konzipierter Status zu verste- 
50 Art. 15 EUV. 
51 Oeter (Anm. 29), S. 74. 
52  Oeter, ebd., S. 75. 
53 Etwa der Wirtschafts- und Sozialausschuss und der Ausschuss der Regionen. 
54 Art. 18 EUV. 
55 Oeter (Anm. 29), S. 75. 
56  Grundlegend dazu Christoph Schónberger, Unionsbürger - Europas fóderales Bür- 
gerrecht in vergleichender Sicht, Tübingen, 2005. 
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