Volltext: Europäischer Föderalismus im Licht der Verfassungsgeschichte

Thomas Bruba/ Emilia Breuss 
Grundgesetz ermichtige nicht zur Einbindung Deutschlands in einen 
europäischen Bundesstaat.“ Deutschland dürfe sich nur solange an der 
Europäischen Integration beteiligen, wie die für die demokratische 
Selbstbestimmung «wesentlichen Gesetzgebungszuständigkeiten» nicht 
überwiegend an die Europäische Union abgetreten sind: 
«Ein nach Art. 23 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 nicht hin- 
nehmbares strukturelles Demokratiedefizit lige vor, wenn der 
Kompetenzumfang, die politische Gestaltungsmacht und der Grad 
an selbständiger Willensbildung der Unionsorgane ein der Bundes- 
ebene im foderalen Staate entsprechendes (staatsanaloges) Niveau 
erreichte, weil etwa die für die demokratische Selbstbestimmung 
wesentlichen Gesetzgebungszuständigkeiten überwiegend auf 
Unionsebene ausgeübt würden. Wenn sich im Entwicklungsverlauf 
der europäischen Integration ein Missverhältnis zwischen Art und 
Umfang der ausgeübten Hoheitsrechte und dem Mass an demo- 
kratischer Legitimation einstellt, obliegt es der Bundesrepublik 
Deutschland aufgrund ihrer Integrationsverantwortung, auf eine 
Veränderung hinzuwirken und im Zussersten Fall sogar ibre weitere 
Beteiligung an der Europäischen Union zu verweigern.» 
Diese Koppelung von «bundesstaatlichem Entwicklungsverbot» mit ei- 
nem «Verweigerungs-» und «Austrittsgebot», sollten der EFuropäischen 
Union bundesstaatsáhnliche Befugnisse zuwachsen, grenzt an «schizo- 
phrene Doppelbindung»," aus der es keinen verfassungsrechtlichen 
Ausweg gibt. Auch verkennt diese Sichtweise die politische wie rechtli- 
che Aufeinanderbezogenheit von deutscher Staatlichkeit und europii- 
scher Integration — von 1949 über die deutsche Wiedervereinigung 1989/ 
90 bis zum heutigen Tage. 
Die Lissabon-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist sta- 
tisch, abwehrend / defensiv, nicht konstruktiv-prospektiv. Sie bringt den 
Integrationsprozess nicht weiter, sondern ist rückwártsgewandt.? Im 
  
40 . Ziffern 226 und 288 der Entscheidung. 
41 Ziffer 264 der Entscheidung, Hervorhebung durch die Verf. 
42 Christoph Schönberger, Lisbon in Karlsruhe: Maastricht’s Epigones At Sea, Ger- 
man Law Journal 2009, S. 1201 ff., 1210. 
43 Daniel Halberstam / Christoph Möllers, The German Constitutional Court says «Ja 
zu Deutschland», ebd., S. 1241 ff. 
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