Volltext: Europäischer Föderalismus im Licht der Verfassungsgeschichte

Europäische Integration als föderaler Prozess 
seits ist zu betonen, dass die Europäische Union einen Beitrittsantrag 
nicht einfach mit Verweis auf «zu geringe Grösse» negativ bescheiden 
kann. Den Gründungsverträgen der Gemeinschaft, ihrer Entstehungsge- 
schichte sowie den Zielsetzungen der europäischen Integration ist ein 
«europäischer Integrationsauftrag»!> zu entnehmen, welcher allen euro- 
päischen Staaten legitime Anwartschaften auf eine EU-Mitgliedschaft 
einráumt, wie gross oder wie klein sie auch immer sind und wie zentral 
oder peripher!é sie in Europa gelegen sein mögen. Schwierigkeiten ist ge- 
gebenenfalls durch institutionelle Anpassungen zu begegnen, die ihre 
Grenze in der Handlungsfähigkeit der Europäischen Union finden. Bei- 
trittsfähigkeit und Aufnahmefähigkeit der EU müssen zwar zusammen- 
kommen." Diese Deckung herzustellen hat jedoch im Wege praktischer 
Konkordanz durch Anpassungsleistungen auf beiden Seiten zu erfolgen. 
Der Europäischen Union ist es verwehrt, sich in das «Schneckenhaus» 
ihres gegebenen institutionellen Gefüges zurückziehen und Beitrittsan- 
träge mit dem Argument seiner nicht weiteren Belastbarkeit durch Neu- 
beitritte «abblitzen» zu lassen. Wo diese Herstellung praktischer Kon- 
kordanz nicht gelingt oder eine EU-Mitgliedschaft aus sonstigen Grün- 
den nicht in Betracht kommt (z.B. auch weil sie seitens des Drittstaates 
gar nicht angestrebt wird), sind europäischen Staaten Integrationsoptio- 
nen unterhalb der EU-Mitgliedschaft auf einem dieser möglichst nahe 
kommenden, hohen Niveau in Aussicht zu stellen (Grundsatz «best- 
möglicher Partizipation» bzw. «Integration»).!s 
15 Siehe grundlegend dazu Katrin Alsen, Der europäische Integrationsauftrag der EU 
— Überlegungen zur Erweiterungs-, Assoziierungs- und Nachbarschaftspolitik der 
EU aus der Warte einer europáischen Prinzipienlehre, Berlin 2009; zuvor schon 
Thomas Bruha, Europáischer Integrationsauftrag und Integrationsfähigkeit der EU. 
Anmerkungen zur Neuen Erweiterungsstrategie der EU, in: Schifer/ Wass von 
Czege (Hrsg.), Das gemeinsame Europa - viele Wege, kein Ziel?, 2007, S. 201 ff. 
16 . Dieses Kriterium hat ersichtlich bei der Lancierung der Europáischen Nachbar- 
schaftspolitik im Jahr 2003 eine massgebliche, aber rechtlich nicht zulässige Rolle 
gespielt. Siehe dazu schon Bruha/ Alsen (Anm. 11), S. 179 ff. 
17 So der Kerngehalt der «Neuen Erweiterungsstrategie» der EU, dazu mit weiteren 
Nachweisen Bruha (Anm. 15), S. 205 ff. 
18 So schon Thomas Bruha/ Oliver Vogt, Rechtliche Grundfragen der EU-Erweite- 
rung, Verfassung und Recht in Übersee 30 (1997), S. 477 ff., 500; ausführlich mit 
weiteren Nachweisen Alsen (Anm. 15), S. 156 ff., 216. 
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