Volltext: Europäischer Föderalismus im Licht der Verfassungsgeschichte

Repräsentation von Kleinstaaten: Deutscher Bund, Paulskirche, Mediatisierung 
Jahn, damals bereits über 70 Jahre alt, war kein anderer als der berühmte 
«Turnvater». Aber in der offenen Abstimmung (durch Aufstehen oder 
Sitzenbleiben) erhoben sich in der Paulskirche für Schädlers Antrag nur 
«sehr wenige Mitglieder» — weniger als zwanzig — von den Sitzen, wäh- 
rend dann auf die Abstimmungsfrage, wer den Liechtenstein- Antrag ab- 
lehne, sich die übergrosse Mehrheit von links bis rechts erhob.*? 
Indes kam die Gefáhrdung der Existenz Liechtensteins und ande- 
rer kleiner Staaten 1848/49 nicht nur von Seiten der staatsrechtlichen 
Neugestaltung. Im Zuge der Beschlüsse der Deutschen Nationalver- 
sammlung in Frankfurt ergaben sich für Liechtenstein wie für andere 
Kleine diverse erschwerende Lasten der Zentralgewalt und damit düs- 
tere Perspektiven. Das zu stellende Militärkontingent wurde auf 2 Pro- 
zent der Bevölkerung erhöht, was für Liechtenstein 140 Mann bedeu- 
tete, dazu weitere 60 Mann als Ersatz für Artillerie. An die deutsche 
Flotte war ein Beitrag zu zahlen. Für eine künftige Reichsverwaltung 
waren wachsende Kosten zu veranschlagen. Reichskriege schienen nicht 
undenkbar. Zollgrenzen würgten die isolierte kleine Volkswirtschaft. 
Die marginale Repräsentation im Staatenhaus und vor allem im Volks- 
haus verhiess kaum eine wirksame Interessenvertretung. Im Januar 1849 
kursierten im Fürstentum Gerüchte, das Land werde Österreich ange- 
schlossen, in Wien werde schon verhandelt.^ Und so kamen 1849 bei 
den Liechtensteinern selber Mediatisierungsgedanken auf, von innen. 
Alles schien offen. 
Besorgt beschrieb der liechtensteinische Paulskirchen-Abgeord- 
nete Karl Schádler** am 9. Màrz 1849 in einem Brief aus Frankfurt an den 
fürstlichen Landesverweser in Vaduz die oben erwáhnten Aussichten. 
Und er teilte dem Landesverweser, mit dem er in vertraulichem Verhält- 
nis stand, seine innersten politischen Gedanken zur Erwägung mit: 
«... In Betrachtung der Verhältnisse wie sie sind, und wie sie vo- 
raussichtlich kommen müssen, verfolgt mich seit einiger Zeit unab- 
lássig eine quálende Frage: sollen wir nicht jezt, wo es Zeit ist und 
leicht gienge, selbstthátig auf Mediatisirung dringen, oder sollen 
42  Ebenda, Bd. 7, S. 5550, 2. März 1849. — Brief von Karl Schádler in Frankfurt an Lan- 
desverweser Michael Menzinger in Vaduz, 9. März 1849, LLA RC 100/4. 
43 Brief von Ludwig Grass, Vaduz, an Karl Schädler in Frankfurt, 1. Februar 1849, 
LLA Schä U 311. 
44 Zu Dr. med. Karl Schädler in der Paulskirche siehe Geiger, Geschichte, S. 141-155. 
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